Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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Die Gründe, worauf sich dieseAnsicht stützt, lassen sich 
wesentlich im Folgenden zusammenfassen. Das Christenthum war 
gleich bei seinem ersten Auftreten in Rom und Jerusalem wohl 
vorzüglich, aber nicht ausschliesslich, Religion der Armen, son- 
dern dasselbe fand, wie das auch unser gelehrter Freund Professor 
Kreuser in öffentlichen, "über die Kunst der Dome" im vorigen 
Jahre gehaltenen Verträgen auf eine eben so geistreiche als an- 
schauliche Weiße nahe gelegt hat, bei einzelnen Gebildeten und 
Vornehmen im klneeieellen Rom eine opferfreudige begeisterte Auf- 
nahme, Der herrschenden geistigen Finsterniss und sittlichen Ver- 
derbniss des Heidenthums durch das Licht und Heil des Christen- 
thums entzogen, fanden sich manche edele Frauen aus höhern 
Ständen und auch hochgebildete Männer, die im Senate sassen, 
der lxjagistratur angehürten oder andere höhere Aemter als" Pa- 
trizier bekleideten, die sich nicht schämten, als Jünger des ge- 
kreuzigten Gottmenschen aufzutreten. Daher sehen wir denn auch, 
dass in den frühesten Jahrhunderten der Kirche einzelne Paläste 
der Angesehensten in Rom heimlich als Versammlungsörter der 
Christen geöffnet wurden. Dahin ist zu rechnen: das Haus des La- 
teranus, ja der Palast des Caesars selbst, wie aus Paulus klar ist. 
Aber nicht nur Privatwohnungen vornehmer bekehrter Römer 
wurden den Bekennern des Gekreuzigten als kirchliche Versamm- 
lungsstättcn eingeräumt, sondern auch selbst verschiedene profane 
Gebrauchsgegenstände, die sogar mit Sinnbildern des I-Ieidenthums 
kunstreich geschmückt waren, wurden in den Tagen der Armuth 
der Kirche als kostbare Geschenke von den Vorstehern derselben 
ohne Bedenken entgegengenommen und für liturgische Zwecke in 
Anwendung gebracht. Welche Nachsicht die ersten Christen selbst 
den Bildern und Darstellungen des sie umgebenden Heidenthums 
zu Theil werden liessen, wohl wissend, dass ein nGötzenbild Nichts 
sei", hat der gelehrte Cardinal Wiseman kürzlich noch in seinen 
vermischten Schriften III. Abtheilung (vgl. die bei J. P. Bachem 
in Köln 1859 erschienene Uebersetzung, Seite 112) hervorgehoben. 
Diese Duldung in Bezug auf heidnische Kunstformen hat auch 
Aringhi sattsam in seiner Roma Subterranea, toin. II. p. 450 nach- 
gewiesen 1) Ja, selbst eine der berühmtesten Reliquien Ronfs, die 
"cathedra" des h. Petrus, ein kostbares Sculpturwerk in Elfenbein, 
aus der Blüthgzeit der römisch-klassischen Kunst, dient, mit seinen 
vielen Reliefs, die Thaten des Herkules vorstellend, zum Belege, 
dass das Christenthum zur Zeit seiner Entstehung nicht den ge-i 
I) VgL das trcffliche Werk von lllarangoni über denselben Gegenstand unm- 
dem Titcl- "Delle Cose gentilesche ad Uso delle Chiese."
	        
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