414
Kleidung ihres Meisters werden getragen haben, so dürften sie
sich auch nicht gescheut haben in derselben zum Altare des ge-
heirnnissvollen Opfers hinzutreten.
Erst nachdem die Gefahren beseitigt waren, die der Kirche
von ihren Feinden erwuchsen, da begannen innerhalb derselben jene
aussern Formen des Cultus und der Liturgie sich freier zu ent-
falten. Wir fügen noch weiter hinzu: nachdem auf Grundlage der h.
Schrift und der apostolischen Ueberliefertmgen das dogmatische
Lehrgebäude der Kirche sich weiter entwickelt und gefestigt hatte,
da erst wurde auch bei selbstbewusster Entfaltung der religiösen
Kunst den überlieferten liturgischen Gewändern allmählig eine rei-
chere, mit den vorher beschriebenen Gewändern des Uosaislnus ver-
wandte Gestaltung gegeben. Desswegen sagt auch Walafritl Strabo:
„Addiderunt in vestibus sacris alii alia, vel ad imitationem earum qui-
bus veteres utebantur saeerdotes, vel ad mysticae significationis expres-
sum." Was also in den frühesten Jahrhunderten des Christenthums
die Lage der Dinge geboten hatte, war bei veränderten Verhältnissen
in spatern Zeitläuften nicht mehr massgebend. Und Weil, wie schon
früher bemerkt, die geoffenbarte, vorchristliche Religion des Ju-
daismus als Grundlage der durch Christus verkündigtcn neuen
Heilsordnung zu betrachten war, so pflegte man schon im carolin-
gischen Zeitalter, noch mehr aber in den spätern Tagen des Mysti-
cismus und Scholasticismus nicht allein in der bildenden Kunst, son-
dern auch bei der Entwickelung und Verzierung der liturgischen
Gewänder mit besonderer Vorliebe die verwandschaftlichen Analo-
gien mit den entsprechenden Gewändern des Jehovatlienstes auf-
zusuchen. So entstanden besonders nach dem X. Jahrhundert, na-
mentlich an den Episkopalgewändern in einzelnen Kirchen ver-
schiedene Hinzufügungen und ornamentale Ausstattungen, wodurch
die Verwandtschaft und Analogie einzelner Pontificalgewänder [mit
den betreffenden Gewandstüeken des npontifex maximus" im M0-
saismus auch äusserlieh nahe gelegt wurde.
Wenn also dem Ebengesagten zufolge erst du! ch spätere Litur-
giker unter steter Bezugnahme auf die hohenpriesterlichen Gewänder
namentlich die Pontificalien der Kirche so allmählig modiücirt und
gestaltet wurden, dass sich auch im Acussern eine gewisse Aehnlieh-
keit der Gewänder der Kirche mit jenen entsprechenden vorbildlichen
Ornatcn der Synagoge ergab, so entsteht hier die wichtige Frage;
aus weichen andern Faetoren gestalteten sich in dem apostolisghen
Zeitalter jene Gewänder, deren sich die Diener der Kirche bei den ver-
schiedenen gottesdienstlichen Verrichtungen ursprünglich bedienten?
Wir werden in der folgenden Abhandlung uns über diese in-