Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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an: „man könne nichts Kostbareres finden als Bysstisleinen, und 
wenn Einer darauf ausginge, in möglichst kurzer Zeit große 
Reiehthümer zu vergeuden, der möge darauf Bedacht nehmen, 
sich in Byssusleinen zu kleiden." Wenn also diese kostbaren 
Byssusgewänder, die der Hohepriester im tiefsten Trauer nur 
zweimal am Versöhnungsfeste anlegte, solche Summen kosteten, 
von Welcher ausgezeichneten stofflichen Beschaffenheit, Textur 
und Feinheit mögen dann dieselben gewesen sein? Die Talmu- 
disten geben auch hier wieder den gewünschten Bescheid, indem 
sie berichten, 1) es hatten die Priester es nicht gestatten wollen, 
dass der Hohepriester Eliezer die Tunik im Werthe von 2 My- 
riaden Minen angelegt habe, indem er, damit bekleidet, ausge- 
sehen habe, als ob er unbekleidet gewesen sei. Obgleich der 
Stoff der Tunik aus einem sechsdrähtigen Faden gewebt gewe- 
sen sei, so sei doch dieser Hohepriester, bekleidet mit diesem 
äusserst delicaten Stoffe, zu vergleichen gewesen dem Weine, der 
vom Glas umschlossen sei. Deswegen bezeichnen auch diesen 
kostbaren Byssusstoff einige altere Schriftsteller mit dem Aus- 
drucke „ventus textilis" (gewebter Wind) oder „linea nebula", 
(Nebelleinen). Wir Würden heute diesen kostbaren orientalischen 
Leinen-Byssus des Alterthumes am besten vergleichen mit der 
feinsten Seiden-Gaze, wie man sie heute noch im Oriente und 
auch zu Lyon fabricirt. Wir hatten Gelegenheit, von der Vor- 
trefflichkeit dieses orientalischen Byssus der feinsten Qualität, 
Einsicht zu nehmen. Denselben fanden wir in einem altern Ka- 
rolingischen "Codex aureus purpureus", und dienten hier die qua- 
dratisch länglichen Streifen von Byssus-Gaze dazu, die Frietion bei 
den Miniaturen fern zu halten. 2) Trotzdem dass der Byssusstoff an 
den vier ebengedachten Gewandstücken, womit der Hohepriester am 
Versöhnungsfeste bekleidet einherschritt, sehr kostspielig war, so 
durfte er sie doch nur ein einziges Mal anlegen. Im nächsten Jahre 
wurden aus dem öffentlichen Tempelschatze wieder neue Gewänder 
angeschafft. WVeil aber die ebengedachten „vestes albae" durch den 
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Vgl. Codex Joma, cap. IV. 
Jene kleinem Ueberreste eines äusserst feinen weissgelblichen Byssnsgewebes 
sind in Reliquien-Verzeichnissen meistens benannt mit der Bezeichnung: 
"de peplo Beatae Mariae Virginia". ,Den unstreitig feinsten Byssusstoil", 
der uns je zu Gesicht gekommen ist, ihnden wir ebenfalls unter der Be- 
nennung ,.vom Schleier der allerseligsten Jungfrau" in einem prachtvollen 
geschnittenen Kästchen von Bergkrystall in oval länglichcr Form, das sich, 
augenfällig aus der Zeit Karls IV. herrührend, im Domschatze von St. 
Veit zu Prag heute noch erhalten hat.
	        
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