362
das vorchristliche Pallium, das aus zwei "plagae", wie das Einige
wollen, bestand, die auf der Schulter in Verbindung gesetzt
waren und wovon der eine Thcil geradlinig die Brust und der
andere, als quadratisch länglieher Streifen den Rilcken bedeckte
und bis zu dem untern Schienbein reichte. Gleichwie nun die
Stola aus einem faltenreichen Obergewanrle schon in der Früh-
zeitdes Mittelalters bedeutend verkürzt wurde und man nur die
beiden äussern Randverzierungen dieses "orarium" als Reminis-
cenz an das ehemalige stoffreiehe Gewand beibehielt, so scheint
man auch in der lateinischen Kirche vor der karolingischen Zeit
den Brust und Rücken bedeckenden breitern Stoflstreifen des
christlichen Palliums bedeutend verengt zu haben, so dass er nur
als ornamentaler Bandstreifen in Breite einer Hand der Länge
nach über Schulter und Brust herunterstieg und sich dann später
in Form eines Y in zwei gleich schmale Streifen über die Schul-
tern verästelte, worin noch eine Hinweisung gefunden werden
(lürfte auf den transversalen Einschnitt (voramen, eaputium), den
(las hebräische Pallium zum Durehlassen des Kopfes ehemals
hatte.
Wir werden in der IV. Lieferung dieses Werkes die heutige
formelle Beschaffenheit des erzbischöllichen Palliums und seine
allmalige genetische Entwickelung im Laufe der Jahrhunderte nach-
weisen und in Abbildungen näher veranschaulichen. ES genüge
hier nur noch die allgemeine Bemerkung, dass das erzbischöfliche
Pallium, wie es heute in der Kirche als auszeichnendes Ehren-
gewand für die Erzbischöfe und Metropoliten besteht, schon des-
wegen der "malogranata" und der wtintinnabula" entbehrt, weil
an demselben der untere breite Rand fortfiel und nur ein schma-
ler Brust- und Schulterstreifen blieb. Wir erinnern uns jedoch,
an altern Malereien Erzbischöfe mit Pallien bekleidet gesehen zu
haben, deren unterer breiterer Fusstheil mit einzelnen Schellchen
statt der Fransen verziert war. Dass die Stolen ehemals an
den beiden untern Ausmündungen statt der Fransen mit silber-
nen, zuweilen goldenen Glöckchen besetzt waren, werden wir in
einer spätem Lieferung dieses Werkes ausführlicher naohweisenä)
In dem zuletzt Gesagten ist der Versuch gemacht worden,
unter Beachtung der gleichen Benennung die Verwandtschaft der
Pallien als hohepricsterliehes "Pontifiealgewand in beiden Testa-
1) So schenkte der sel. Meinwerk, Bischof von Paderborn, seiner Stiftung
Abdinghoß" unter andern reichen Gaben zwei goldgestickte Stolen, die unten
statt der Fransen mit goldenen Schellchen besetzt waren.