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Granatäpfelchen scheint technisch so beschaifen gewesen zu sein,
dass dieselben nach unten nicht offen und hohl gewirkt, sondern
rundlich geschlossen Waren. Mit Ornamenten von solcher Beschaf-
fenheit und in dreifach verschiedener Farbe wechselten, wie wir
eben vernehmen, allemal ab kleinere Glöckchen oder Schellchen.
Wie waren formell diese Jintinnabula." an dem hohenpriesterlichen
Gewande beschaffen? Jüdische Gelehrte unterlassen es nicht, die-
selben mit der ihnen eigenthümlichen Breite zu beschreiben. Sie be-
standen in rundlich länglicher Form aus zwei Theilen, nämlich aus
einem Schellchen in runder Form und aus einem kleinen Klüpfel,
den sie "lingua, maleolus" 1) nennen. Dieselben waren nicht rund
geschlossen, sondern hatten nach unten eine breite Rundüflnung, an
welche das freihängende Hammerchen bei der leisesten Bewe-
gung anschlug. Der Gebrauch statt der Fransen solche Schell-
chen an den Gewändern zu tragen, rührt aus dem höchsten Al-
terthume her, wie das ein älterer Schriftsteller mit vieler Bele-
scnheit nachweiset, der ein eigenes Werk übgr den Gebrauch
solche Glöckchen an den Gewändern zu tragen, geschrie-
ben hat. 2) Auch lesen wir bei altern Autoren, dass die persi-
schen Könige solche Schellen-Ornamente an den reichern Ober-
gewandern zu tragen pflegten. Dieser Gebrauch, kleinere, meist
silbervcrgoldete Glöckchen sowohl an Profan- als liturgischen
Gewändern zu tragen, erhielt sich das ganze Mittelalter hin-
durch bis zum Schlusse des XV. Jahrhundertsß) Ueber die
Grössc und die Zahl der "tintinnabula" und der „mal0grana-
ms, die den untern Rand des Palliums in seiner Ganzheit
schmückten, lässt sich nicht leicht etwas Bestimmtes feststellen,
da in diesem Punkte die Ansichten der Talmudisten und Rabbiner
1) Von welcher Art das Gold im Alterthum gewesen sei, das man zum Ans-
Staiien der Priesierlißhßn Gewänder benutzte resp. wie die ,iü1e euren" bear-
beitet wurüell, Womit die phrygiaehen Arbeiten in der vorchristlichen Zeit
angefertigt wurden, davon werden wir nähere Details beibringen bei Gele-
genheit, wo wir (1011 Webstuhl genauer beschreiben werden.
1) Vgl, C1_ Magius de Jintinnabnlis".
3) Heute bewahrt man noch im Domschatze zu Aachen eine äusserst merk-
würdige Plnviale des XIII. Jahrhunderts, die an ihrem äussern Rande statt
der Fransen mit 100 Silbernen Sehcllchen verziert ist; dieselben entbehren
jedoch eines kleinen Klöpfels und verbreiten bloss dadurch einen angeneh-
men Klang, dass sie bei der geringsten Bewegung gegenseitig an einan-
der schlagen. Auch werden in demselben Schatze noch zwei andere Plu-
viale in iigurirtem Rothsammet auibewahrt, die, herrührend selben aus dem
Schlusse des XV. Jahrhunderts, noch mit solchen silbernen Schellchen als
wohlklingende "fimbriae" umrandet sind.