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deren sich die Hebräer als Profangewänder bedienten, wurden
nicht nach Weise der Römer über die Schultern angelegt und
durch eine „fibula" auf der rechten Schulter befestigt, sondern sie
waren ebenfalls viereckig-längliche Stoffe, die an den vier Enden
mit kleinern Quasten nach der Vorschrift des Deuteronomiums
verziert waren. 1) Wie war aber seiner Form und Gestalt nach
das Pallium beschaffen, das der Hohepriester als auszeichnendes
Ehrengewand vor den übrigen Priestern zu tragen das Recht
hatte? Bei Beantwortung dieser Frage sind die Rabbiner und
jüdischen Alterthumskundigen in ihren Ansichten getheilt, indem die
Einen angeben, dass die Pallien unter den Armen geschlossen gewe-
sen und die Andern dafür halten, dass der vordere nicht mit dem
hintern Streifen (plaga) des Palliums verbunden, sondern offen ge-
wesen sei; eine Verbindung dieser beiden rechteckigen Ge-
wandstücke sei bloss auf der Schulter bewerkstelligt worden, wo
auch der Einschnitt sich befunden habe zum Durchlassen für den
Kopf. Maimonides 1) äussert sich in Betreff der Gestalt des Pal-
liums dahin: dasselbe sei von der Farbe des Hyazinth gewesen
und die Faden, aus denen es gewebt worden, seien zwülffach
gedreht gewesen. Es habe ferner keine Aermel (manica) gehabt,
sondern über Brust und Rücken seien zwei breite Stofftheile ge-
radlinig heruntergefallen, die unter den Armen nicht befestigt und
geschlossen gewesen seien. Hieronymus in dem oft gedachten
Briefe an die Fabiola gibt hingegen an: das Pallium, das er als
„tunica talaris" bezeichnet, habe eine Hyazinthfarbe gehabt mit
angenäheten Aermeln zu beiden Seiten, von derselben Farbe. Ist
dieser Aussage des h. Hieronymus Gewicht beizulegen, so hätte
das Pallium des Hohenpriesters im Mosaismus fast (ließt-Elbe Form
gehabt, wie die Dalrnatik im Mittelalter. Es würde dann auch
das heutige Diakonal-Gewand, dem h. Hieronymus zufolge, mit
dem Pallium des Hohenpriesters ziemlich übereinstimmend be-
funden werden, wenn man die beiden Stoffreste, die an der heu-
tigen Dalmatik an den Armen herunterhangen, sich als "manica"
geschlossen denkt. Flavius Josephus 3) betrachtet ebenfalls das
Pallium als bestehend aus einem Stück (unica tela in longum
III und cap. IV, und bei A. Lens, Essai sur les habillements des peuplea
de Pantiquitä, page 33-61.
1) Lib. Deuteron. cap. XXII, 12 liest man nämlich: funiculos in fimbriis fa-
cies per quatuor angelus pallii tui, quo opcricris. Vgl. Num. XV, 38. und
Manh. XXIII, 5.
2) Maimouides, Hilch, Kele Ilammikdasch, cap. IX, secc. 3.
3) Flav. Joseph. antiq. lib. III. cap. VIII.