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den einzelnen Ornaten des Priesters und Bisclrofes des Christen-
thums entsprach. Ohne uns jedoch weitläufiger einzulassen auf
die reiche phantasievolle Auslegung und Deutung, namentlich in
allegorischer und tropologiseher Beziehung, wie sie der eben er-
wähnte geistreiche Bischof in schwungvoller dichterischer Weise
nither auseinandersetzt, werden wir im Folgenden am Schlusse
der Beschreibung eines jeden einzelnen Cultgewandes, wie der alte
Bund (lasselbe verschrieb, in Kürze darauf hindeuten, welche
Verwandtschaften und Aehnliehkeiten im Christenthume dem Rha-
banus Maurus, VValafried Strabo, Amalarius und Andern zufolge
sich mit den mosaischen Opfergewäntlern vergleichsweise heraus-
stellen dürften.
Sobald der Priester des mosaisehen Gesetzes die vorgeschrie-
bene Waschung von Hand und Fuss vorgenommen hatte, legte er,
wie früher nachgewiesen, die F eminalien an, auf dass er sich daran
erinnere, dass er mit reinem Herzen und reinem Körper, in Ehr-
barkeit und Enthaltsamkeit (lem Herrn das Opfer darbringe. So
nimmt auch der Priester der Kirche vor der Opferung die Wa-
schung der Hände vor und da er schon vor der Aufnahme in
den Priesterstand das Gelübde der Reinigkeit und Keuschheit
abgelegt hat, so bekleidet er sich, wie itlterc Liturgiker es wollen,
zuerst mit dem „hun1erale" oder auch, wie Andere meinen, mit
den "tibialia", damit durch diese beiden Bekleidungsstilcke die
Blösse des Halses und der Füsse bedeckt werde. Da der Priester
vor Anlegung der Culfgewäntler bereits vorher bedeckende Un-
terkleider, die nicht zum Ornate gehören, angelegt hat, so (lürften
als Parallelen keine Gewandstüeke beim heutigen Ornate sich
vorfinden, die mit den oben beschriebenen "brachae" im Entfern-
tern gleichbedeutend wären, als die bischöflichen Tibialien und
Sandalen und das oben gedachte Schultcrtuch "amictus" als Hals-
bedeckung, Namentlich wird durch dieses verhüllende Unterge-
wand, das nhumerale", das ebenfalls wie die "feminalia" aus ein-
faehem Leinen besteht, jener Theil des Körpers bedeckt, dessen
auffallende Blässe verletzt hätte, zumal man im Mittelalter im
gewöhnlichen Leben als Untergewand keine besondere Halsbe-
(lcckungen zu tragen pflegte. Leichter jedoch findet man an der
Hand älterer Liturgiker die Vorbedeutung für das zweite priester-
139119 Ggyvandstück, die Albe (camisia) in der alt-testamentarisehen
"tuniea", deren Form und Beschaffenheit wir oben naher angg-
geben haben. Gleichwie die Tunik des A. T. ist auch die prie-
gtgl-lighc Albo, wie sie heute noch im kirchlichen Gebrauche ist,
was Schnitt und Form betrifft, fast vollständig übereinstimmend