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der alten Abtei St. Gallen in der Schweiz eine ägyptische Mumie
eingehüllt fanden. 1)
In Rücksicht auf Grösse und Ausdehnung des vorliegenden
priesterlichen Gewandes, das wir auf Tat. I. Fig. 2. in klcinerin
Bilde für sich allein veranschaulicht haben, sei bemerkt, dass
nach der Vorschrift des Gesetzes die „tuniea" der körperlichen
Ausdehnung des Tragenden anpassend gemacht wurde. WVie es
nun scheinen will, umschloss sie jedoch nicht zu enge den Ober-
körper. Auch hatten die Aermel eine massige Breite, reichten
bis zum Knöchel der Hand und wurden an dieser Stelle nicht
geschlossen. Nach unten hin musste dieses zweite priesterliche
Gewandstüek eine solche faltenreiche Ausdehnung haben, dass
der Träger desselben beim Aussehreiten und bei Verrichtung
seiner verschiedenen Amtsfunctionen durch die Enge desselben
nicht im mindesten behindert war. Ferner musste dieser Leibrock
die gesetzliche Länge haben, d. h. er musste bis zum Knöchel "ad
talurn" des Fusses herunter reichen. Hatte er diese vorgeschrie-
bene Grösse nicht und zeichnete sich derselbe durch seine Kürze
aus, so zwar, dass ein Theil der unbedeckten Beinschenkel zum
Vorschein kam, so waren die darin vorgenommenen Amtsverrieh-
tungen ungültigü) reichte jedoch die „tunica" über die Knöchel
herunter, so dass sie beim Gehen nachgezogen wurde, so machte dies
die Amtsverrichtung nicht ungültig, und war es alsdann gestattet,
die zu langen Tuniken vermittels des Gürtels ein wenig aufzusehür-
zcn, so dass sie auf die rcchteLange einer gesetzmässigen "nozlrfgiryg"
zurückgeführt werden konnten. Da die priesterlichen Gewän-
der nach der Vorschrift Moses „ad gloriam et ad honorem" be-
i) Aehnliche polygone Dessins von höchst merkwürdiger Beschaffenheit, offen-
bar griechische Bildungen, sollen sich auch, der Mittheilung eines sach-
kundigen Freundes zufolge, in dem künstlich gewebten Leintuchc befinden,
das als kostbare Reliquie in der ehemaligen Reichs-Abtei Corneli-Münster
bei Aachen aufbewahrt wird. Nach den einstimmigen Berichten vieler
Chronisten ist das jenes Tuch, worin als „sindon mundum" der Leich-
nam des Heilendes mit Spezereien gesalbt, eingewickelt und in's Grab ge-
legt worden ist. Durch Karl den Grossen kam dieses Heiligthum nach
Aachen, und wurde dasselbe durch seinen Sohn, Ludwig den Frommen,
mit andern Schätzen an seine Lieblingsstiftung Corneli-Münster gebracht.
Auch die Textur dieses grossartigen Gewebes soll von höchst merkwürdi-
ger Beschaffenheit sein, und dürfte dieselbe einen Schluss ziehen lassen,
von welcher stofflichen Beschaffenheit die Byssns-Geivebe der hohenpriester-
liehen Kleidung und insbesondere die mit nctzfürmigen Dessins durchwebte
ntunica" gewesen sein dürfte. Vgl. Dr. Floss, geschichtliche Nachrichten
über die Aachener Heiligthümer, Seite 110 und 111.
I) Jnrchius, Ood. Sevaehim, cap. II.