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können, warfen sich nun auf die Straminstickerei. Die Muster,
die man von sogenannten "Dessinateurs" zu solchen geistlosen Stra-
minstickereien verwendete, 1) sind ganz entsprechend der unedeln
und unkünstlerischen Technik, die man zu Herstellung von sol-
chen EHectstickereien zur Geltung kommen liess. Die neueste
Zeit, die man auf dem Gebiete der Stickerei füglich die Periode
der Straminstickerei nennen könnte, nahm sogar keinen Anstand,
diese kläglichen Arbeiten, in grober Wolle ausgeführt, die bei
Klingelzügen und Ruhekissen vielleicht an ihrem Orte sein mögen,
sogar bis an die Stufen des Altars zur Ausstattung der liturgi-
schen Gewänder gelangen zu lassen. Bis zu diesem Punkte der
Erniedrigung war in den letzten Decennien die von unsern Vor-
fahren so hochgeehrte und geübte Kunst im Dienste des Altars
gekommen.
Da wurde, von England ausgehend, in neuester Zeit, als
auch der kirchliche Geist wieder zur Erstarkung gekommen war,
der erste Impuls zu einer Regenerirung der Kunst und zur Zu-
rückführung derselben auf die lange verkannten Principien des
Mittelalters angebahnt. Wir übergehen hier die nähern Angaben,
wie diese Entwickelung, von der Architektur ausgehend, sich in
unglaublich kurzer Zeit auf alle übrigen verwandten Zweigkünste
ausdehnte, und geben nur an, dass gerade der Mann, der, als
unermüdlicher Vorkämpfer, die Architektur zu den Regeln und
Normen des Mittelalters mit Glück zurückführte, auch auf dem
Gebiete der kirchlichen Stickkunst in England einen vollständigen
Umschwung zum Bessern herbeiführte. Es erschien nämlich im
Jahre 1848 von dem unermüdlichen Pugin auch ein kleines lrVerk-
chen: "Embroideries of the mediaeval, London by Parker",
worin der geniale Architekt unter Hinzufügung von mehrern klei-
nen Zeichnungen über Form und Technik der Stickerei im Mit-
telalter sich näher verbreitet und wodurch er, nicht nur bei seinen
Vor wenigen Wochen erschienen im Verlage von Daniel Wüste in Köln
zwanglose Hefte in Farbendruck, die, wie es scheint, der beliebten moder-
nen Straminstickerei auf's Neue Vorschub leisten wollen. Wenn auch
einigen Compositionen in diesen Blättern ein Kunstwerth nicht abzusprechen
ist, und sie um Vieles den Vorzug verdienen vor den trockenen, geistlosen
Compositionen unserer heutigen „pariser Dessinatcurs", so haben wir bei
dieser Herausgabe, von unserm Standpunkt aus, nur das Eine zu beklagen,
dass in diesen Mustervorlagen immer wieder dem Kreuzstich in Wollen-
stramin das Wort geredet wird, und Zeichnungen und Compositionen für
eine edelere. mehr künstlerische Technik durchaus nicht zur Vorlage kom-
men, abgesehen auch davon, dass das Werk ohne irgend einen Text über
die geschichtliche Entwickelung der Stickerei und ohne technische Erklä-
rungen in die Welt geschickt wird.