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Kurfürsten Clemens August bei einem Lyoner Fabrikanten 1740
in Bestellung gegeben und zwar in der Alasicht, dass er bei Ge-
legenheit der Kaiserkrönung Karls VII, des Bruders des eben
gedachten Kurfürsten, in Frankfurt, seine erste Anwendung finden
sollte. In der Biographie des (jlcmens August, herausgegeben von
Freiherrn von Mering, ist, auf Urkunden gestützt, angegeben,
dass diese Luxuscapelle allein an Arbeitslohn 62,000 Thlr. köln.
gekostet habe. Es ist das für die damalige Zeit eine enorme Summe
und dürfte man deswegen mit mehr Wahrscheinlichkeit der An-
nahme Raum geben, dass der Arbeitslohn mit Einschluss des reichen
Stickmaterials obige Summe betragen habe; der kostbare silberne
Grundstoff dürfte dann eigens geliefert und berechnet worden
sein. Diese grossartige Capelle ist auf schwerem "drap d'ar-
gent" in einem ausserst manirirten Roeoceostyle mit den schwer-
sten Goldstickereien in Reliefs so überladen, dass das Gewand
für den Träger im buchstäblichen Sinne des Wortes eine
erdrückende Last geworden ist. WVenn man bedenkt, dass
jede der mit Goldstickereien förmlich übersclnvemmten Pluvia-
len das Netto-Gewicht von 30 Pfund hat, so muss man heute,
wo man zur primitiven Wrürde und Einfachheit der liturgischen
Gewänder wieder mehr zurückgekehrt ist, mit Recht sich wun-
dern, wie der profane Ungeschmack der damaligen „brodcurs du
roy" gegen Mitte des XVIII. Jahrhunderts den kirchlichen
Würdentrii.gern es zurnuthen konnte, namentlich bei feierlichen
Proeessionen zur Sommerzeit, ein solches Gewand selbst auf
Kosten der Gesundheit anzulegen, das vollständig als Gold-
chabraque seinen kirchlichen Charakter verloren hatte und mit
den goldbetressten Hofgewänrlern damaliger Zeit kühn den Wett-
streit aufnehmen konnte.
Bei den eben gedachten „Clementinen" zeigt sich in der
Glanzepoche des Rococco, selbst bei diesen plastischen Gold-
stickereien in ihrer unnatürlichen Formenfülle, eine gewisse Styl-
einheit in den Ornamenten, die jedoch zu Ende des vorigen
Jahrhunderts, als der Zopfstyl an sich selbst irre geworden war,
einem armseligen, verworrenen Durcheinander der Formen auf
dem Gebiete der kaum noch nennenswerthen kirchlichen Stick-
kunst Platz gemacht hatte. Noch trostloser und itrmlicher wurde
es in Anbetracht gestickter kirchlicher Gewänder, die zu Anfang
dieses Jahrhunderts angefertigt wurden, wie das jene Priester-Or-
nate aus den Tagen Napoleods I. beweisen. Auch der Krünungs-
Ornat des eben gedachten gewaltigen lWannes, wie man ihn heute
im „Musee des Souverains" zu Paris sieht, dient zum factischen