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waren. In unsern in letzten Jahren angesammelten mittelalterlichen
Schatzverzeichnisscn finden sich mehrere solcher gestickten kost-
baren Hbursae" angeführt. Jedoch werden in keinem dieser Ver-
zeichnisse der Zahl nach so viele namhaft gemacht, wie in den
uns vorliegenden Original-lnventareii der ehemaligen liturgischen
Kunstschätze in der St. Sebalduskirchc zu Nürnberg. In einem
dieser für das Studium der altliturgischen (icwäntler äusserst
wverthvollcn Inventare führt nämlich eine Abtheilung die Ueber-
schritt: „Corporaltaschen", und werden unter Lit. C. unter die-
ser Rubrik aufgeführt, in ziemlich detzrillirtcr Beschreibung, im
Ganzen 24 verschiedene "bursae" in allen Farben, meistens
in Sammet und fast alle mit Figuren und mit Perlen reich be-
stickt. Aufliilleuderwcisc ist eine dieser Corporaltaschen hinsieht-
lich ihrer Figuren- und Perlstickcrcicn vollständig übereinstim-
mend mit der reichen in unserm Besitze sich befindlichen Corporal-
tasehc, wie sie auf Tafel XVII. abgebildet und vorher beschrieben
werden ist. Es heisst nämlich unter Nr. 3 daselbst wörtlich wie
folgt: Jim braun glattsanunete Corporaltaschen mit dem Crucifix,
Maria und Johannes, mit wenig perlein sambt- vier pcrlenen
Knöpffen." Haben wir auf Tafel XVII. den Lesern dieser No-
tizen über mittelalterliche kirchliche Stickereien eine Abbildung
vorgeführt, wodurch veranschaulicht wird, wie in der letzten Hälfte
des XV. Jahrhunderts die Bildsticker in Zünften und Klöstern es
verstanden, mit der Nadel die schwierigsten Malereien in Seide zur
Ausführung zu bringen, so soll Tafel XVIII. in einer stylgetrcuen
Abbildung zum Beweise dienen, dass man auch gegen Schluss
des XV. Jahrhunderts es nicht ausser Acht liess, mit Verhältniss-
massig wenigen Mitteln und einfachem Material liturgische Ge-
wänder künstlerisch auszustatten. Namentlich war es das Mess-
gewand für den täglichen Gebrauch, so wie für den Gebrauch
am Sonntage, das in dem hintern Kreuz und dem vordern Balken
eines einfachen gestickten Ornamentes bedurfte, das sich ohne Auf-
wand von zu grossen Kosten herstellen liess. Die auf Tafel XVIII.
abgebildete Stickerei ist auf einem feinen Wollenstoff von rothcrFarbe
ausgeführt und findet sich vor in unserer Sammlung. Bekanntlich ist
es liturgisch Lintersagt, bei Messgewäntlern Stoffe, die von der Wolle
der Thiere herrühren, zur Anwendung kommen zu lassen. Nur der
Orden der Franciscaner hatte die Licenz sich erwirkt, solche
Messgewänder ausnahmsweise in seinen Ürdcnskirehen tragen zu
dürfen, die angefertigt waren aus lvollenstoffen, damit auf diese
Weise auch selbst an den Kirchcngewändern das strenge Gelübde
der Armuth, das sie abgelegt hatten, zur Geltung kommen Süllte-