Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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Arras angefertigt worden seien. Es ist nun, da die nähere Be- 
schaffenheit dieser zuweilen reich figurirten Stoffe nicht näher 
auseinander gesetzt wird, sehr die Frage, ob als Wirkereien 
von Arras zu verstehen seien jene in Gold, Wolle und Seide 
gewirkten Teppiehwerke, ßhautc-lisse", mit historisch scenerirten 
Darstellungen, wie sie auch in dem benachbarten Rheixns von 
geübten Kunstwebern angefertigt zu werden pflegten, oder 0b 
hinzuzurechnen sind jene mit der Nadel gestickten Stäbe, die auf 
das kunstreichste mit Bildwerken in Goldfaden und Plattstich- 
Arbeiten vielleicht von einer Innung der Bild- oder Wappenstieker 
zunftgerccht für den grossen Welthandel angefertigt wurden. Wie es 
uns scheinen will, gab es für beide Kunstzweige in Arras grüssere 
Hauser, die eine Menge Künstler sowohl im Fache der Teppich- 
wirkerei als auch der Bildstickerei vollauf beschäftigt hielten.  
Wir folgern das Lctztgesagte aus dem Uinstande, dass nicht nur, 
altern Schatzverzeichnissen zufolge, Nadelmalereien an liturgischen 
Gewändern des XV. Jahrhunderts, worin auf Gold gestickt zur 
Darstellung gebracht sind die Hauptmomente aus dem Leben des 
Heilandes, benannt werden „orfroies d'Arrasß, sondern hauptsäch- 
lich aus dem Vorkommniss, dass heute noch in Italien für reiche 
Bildstickereien an liturgischen Gewändern sich als „tcrminus 
technicus" die Bezeichnung „arazzo"2) erhalten hat. Die meisten 
dieser reichen G-oldstickereien in grössern Scenen, wie wir sie 
in Italien, noch mehr aber in Deutschland vereinzelt gefunden ha- 
ben, scheinen in der Regel gegen Schluss des XV. Jahrhunderts 
und in der ersten IIälfte des XVI. Jahrhunderts angefertigt wor- 
den zu sein. S0 besitzt unter andern noch die bischöfliche Stadt 
Gubbio im Kirchenstaate eine prachtvoll in Gold gestickte Ca- 
pelle, die, der Ueberlieferung nach, der Kathedralkirche daselbst 
geschenkt worden sein soll zur Zeit, als Papst Marcellus II., vormals 
M. Chev. de Linas, der sich von den Archäologen Frankreichs heute am 
eingehendsten mit der stoiTlichen Beschaffenheit der mittelalterlichen litur- 
gischen Gewänder beschäftigt hat, dürfte, vermöge seiner vorzüglichen Be- 
fähigung, am ersten in der Lage sein, zumal derselbe in Arms wohnhaft ist, 
eingehende, heute noch fehlende Forschungen über die unübertreffliehen kirch- 
liehen Stickereien seiner Vaterstadt anstellen zu können und über deren künst- 
lerische Beschaffenheit, so wie über die fehlenden Namen ihrer Anfertigcr Lehr- 
reiches in einer selbstständigen Abhandlung zu berichten. Wir verdanken diesem 
Fach gelehrten bereits einen interessanten Bericht über mittelalterliche Webereien 
und Stickereien, der in den "Archives des missions seientifiques et litteraires" 
im Jahre 1855 veröffentlicht worden ist und die Ueberschrift führt: „Rapp0rt 
sur les aneiens vetements sacerdotaux dans Pest et le Midi de 1a. Frv-nee." 
Vgl. Muratori, rer. Ital. seripß, tom. XVL, col. 583, A.
	        
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