Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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übrigen verdient hier besonders hervorgehoben zu werden ein 
äusserst prachtvolles und kostbares Messgewand, das mit der 
glücklicherweise noch darauf befindlichen Jahreszahl 1509 heute 
als Eigenthum der Pfarrkirche zu Erkelenz angetroffen wird. Wir 
nehmen keinen Anstand, diese prachtvoll gestickte Casel als die 
ausgezeichnetste und künstlerisch vollendetste Nadelmalerei zu be- 
zeichnen, die sich in einer ziemlich guten Conservirung heute im 
westlichen Deutschland erhalten hat. 1) Wie es der Augenschein 
lehrt, rührt der" figurenreiche Entwurf der Stickereien an diesem 
Gewande von einem vorzüglichen Meister der niederdeutschen 
oder iiandrischen Schule her und würde derselbe dem Meister 
Hemling von Brügge oder einem seiner unmittelbaren Nachfolger 
alle Ehre machen. Der Hauptgegenstand, der auf den breiten 
Stäben des ebenfalls über die Schultern ansteigenden Kreuzes 
zur Darstellung gekommen ist, gibt sich zu erkennen als Anbe- 
tung der heil. drei Könige, ein bevorzugter Lieblingsgegenstantl, 
der beim Ausgang des Mittelalters unendlich häufig in Holz oder 
Elfenbein geschnitzt, auf Goldgrund in Tempera gemalt, in 
Glas gebrannt und in zarter Seide vielfach gestickt worden ist. 
In dem mittlern Stabe findet der Act der Anbetung von Sei- 
ten des ältesten der Könige Statt. Auf den einmündenden Ne- 
benstäben sind in Plattstich unvergleichlich schön und zart 
gestickt wie Caspar und Melchior, umgeben von einem Tross 
von Gefolge auf Pferden und Kameelen, ebenfalls zur Anbetung 
heraneilen. Auffassung und Composition ist bei dieser Darstel- 
lung wirklich grossartig zu nennen und hat das Ganze in der 
Darstellung viele Aehnlichkeit mit dem bekannten Original-Ge- 
mälde der Anbetung der heil. drei Könige, befindlich in der 
Pinakothek zu München, das vielfach dem niederländischen Mei- 
ster Schoreel zugeschrieben wird. Betrachtet man naher die 
Technik des Stickens, so ist man wirklich in Zweifel, ob man 
mehr bewundern soll die geniale Composition des schaffenden 
Meisters, oder die grosse Vollendung, die in der Drappirung 
der Gewänder, der Haltung und dem Ausdruck der Gesichts- 
züge der geübte Kunststicker des Mittelalters zu legen gewusst hat. 
Zu wünschen wäre es, dass dieses nur in einzelnen Theilen be- 
schädigte Prachtgewand von äusserst geschickter Hand kunst- 
i) Um nicht Gesagtes hier noch einmal zu wiederholen, verweisen wir bei der 
Erwähnung dieses unvergleichlichen Messgewandes auf die Beschreibung 
desselben in unserm "Commentar der mittelalterlichen Kunst-Ausstellung zu 
Crefeld 1852, Verlag von J. B. Klein," und den „Ca.talog der Ausstellung 
im erzbischüllicrhen Museum zu Köln 1855." 
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