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Schnitzerei so reichhaltigen Pfarrkirche von Calkai- auch ein-
zelne liturgische Gewänder, die durch den Reichthum der {ign-
ralen Stickereien in Plattstich, als Meisterwerke der Nadelmalerei
des XV. Jahrhunderts, verdienen hervorgehoben zu werden. So
haben sich auch in der katholischen Plarrkirche zu WVesel noch
einzelne reiche Figur-Stickereien an lilessgeizvänrlern erhalten,
die von dem Kunstsinne, von der Gcbcfrcudiglgeit und der
Prachtliebe der Herzoge von Clcve Zeugniss ablegen. 1) Ohne
Zweifel besass auch ehemals die Stiftskirche von Cleve reich ge-
stickte Messgcwänder, die daran erinnerten, dass der prunklie-
bende Hof von Cleve das XV. Jahrhundert hindurch in enger
verwandtschaftlichcr Beziehung mit den kunstsinnigen Herzogen
von Burgund stand, 2) die nachweislich an ihrem Hofe die ge-
schicktesten Bildsticker der damaligen Zeit fortwährend in Sold
und Beschäftigung erhielten. Weiter am Rheine entlang befin-
det sich noch in der Pfarrkirche zu Üerdingen bei Crefeld
eine vollständige Capelle in Rothsammet, mit kunstreich gesticktem
Figuren und Scenerieen in Goldfäden und Plattstich gearbeitet, die
einer mündlichen Ueberlieferung zufolge aus der ehemaligen reichen
Abtei Kamp (bei Rheinberg) herrühren soll. Dein Rheinstromc
folgend treffen wir zunächst in Düsseldorf, und zwar in dem
Schatze der St. Lamberti-Kirche daselbst, eine prachtvoll gestickte
Capelle, deren figurale Nadelmalereien auf den Stäben zu dem Edel-
sten und Prachtvollsten gerechnet werden können, was der Nie-
derrhein an Bildstickereien des Mittelalters heute noch aufzu-
weisen hat. Man muss es bedauern, dass der ursprüngliche
Grundstoff zu diesem prachtvollen „ornatus integer" vormals
ohne Zweifel, nach gleichzeitigen Analogieen zu urtheilen, ein
schwerer dunkelrother oder grüner genueser Sammet, bei der
Entstellung und dem modernen Zuschnitt im XVII. Jahrhundert
beseitigt worden ist, Der jetzige Umstoff von lyoner drap d'argent,
mit seinen unruhigen Dessins, aus der Verfallzeit der Renaissance,
mag wohl einem Genremaler für Drappirungen und sonstige ma-
lerische Zwecke höchst vortheilhaft und interessant erscheinen.
Die unvergleichlichen eben gedachten Bildstickereien stehen aber
Irren wir nicht, so ist eines dieser Gewänder, von der benachbarten Carthause,
der Stiftung eines Ilerzogs von Cleve, herrühreml, unten mit dem Wappen des
Geschenkgehers versehen, nämlich: ein Rad mit Speichen, auf welchen die
sogenannte francica, ,A,Heur de lys", aufsitzß.
Vgl. hierüber das Betreffende in dem Prachtwerke: "Kunstdenkmäler des
christlichen lkiittelalters in den Rheinlanden, von E. Aus'm Weerth. Leipzig,
T. O. Wcige). 1857."