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derselben Zeit waren ebenfalls als Kunststicker gesucht und
berühmt: Simonne de Gaules zu Bourges, Gillon Quinaude
und Jehan de Moucy zu Tours. Auch das Schatzverzeichniss
des Capitels vom h. Hilarius enthält eine grosse Zahl Angaben von
prachtvollen Stickereien der eben bezeichneten Art. Desgleichen
befindet sich auch in dem "Magasin pittoresque" eine Abbildung
und Beschreibung der äusserst reichgestickten Casel von Carrouges,
einer kleinen Stadt in der Nähe des Jura, die auch wohl die Tage
Karl's des Kühnen von Burgund gesehen haben mag.
Wir würden nicht zu Ende kommen, wenn wir in der vor-
liegenden, geschichtlich geordneten Uebersicht der Erfolge und
Entwickelung der Stickkunst im Dienste des Altares namhaft
machen wollten alle jene kirchlichen Schätze von prachtvollen
Stickereien, wie wir sie in den Inventarien der Domschatze von
Würzburg vom Jahre 1448, in dem Inventars des ehemaligen
reichen Benedictinerklosters Michelsberg zu Bamberg vom Jahre
1483, und dem Inventar der Domschätze der bischöflichen Kathe-
dralkirche zu Olmütz, ebenfalls aus dem XV. Jahrhundert, in grosser
Menge vorfinden. Die meisten in den uns vorliegenden Schatz-
verzeichnissen aus dieser Zeit beschriebenen Kunststickereien sind
bei der Interesselosigkeit der letzten Jahrhunderte für solche Zeugen
einer gehobenen kirchlichen Kunstthätigkeit der Vorzeit unwieder-
bringlich verloren gegangen. Bei der Schonung gegen altkatho-
lische Gebrauche, die dem Volke Jahrhunderte hindurch liebge-
worden waren, womit das Lutherthum in den skandinavischen
Reichen des Nordens auftrat, kann es nicht befrcmden, dass in
Norwegen und Schweden, namentlich in reichern Kathedral- und
Stadtkirchen sich heute noch, besonders aus der Glanzepoche der
Stickerei des XV. Jahrhunderts, zahlreiche Schätze der kirch-
liehen Nadelmalerei an Messgewändern und sonstigen kirchlichen
Ornaten erhalten haben. Als Curiosum mag hier die Mittheilung
noch ihre Stelle finden, dass, obgleich das Messopfer der katho-
lischen Kirche schon lange in den eben besagten Ländern des Nor-
dens, als „der reinen Lehre zuwider", abgeschafft worden ist, man
aber nichts desto weniger das altkatholische Messgewand in seiner
alten Form und seinem grossartigen Kunstreichthum beizubehalten
für gut fand und dass man dasselbe bei besondern liturgischen Ver-
anlassungen bis zur Stunde noch in Gebrauch nimmt, wie uns das
von glaubwürdigen Augenzeugen mehrfach berichtet worden ist. Zu-
verlässigen Angaben zufolge sollen auch noch eine grosse Zahl reich ge-
stickter Messgewänder in dem Museum zu Copenhagen sich vorfinden,
die davon Zeugniss ablegen, dass von rheinischen und süddeutschen