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geschmückt. Diese äusserst prachtvollen bischöflichen Infuln,
zwar sehr reich, aber auch sehr unbequem zum Tragen, gehören
dem Schlusse des XV. Jahrhunderts an. Die Mitra, die wir hier
im Auge haben, ist offenbar altern Ursprungs, und scheint uns
bei genauerer Betrachtung, ihrer vielen in Farben gestickten Fi-
guren wegen auffallende Aehnlichkeit zu besitzen mit den zahlreichen
und grossartigen Wandmalereien, womit die verschiedenen Capellen
des Kaiserschlosses Karlstein in Böhmen auf's reichste ausge-
schmückt sind. Wenn wir nicht irren, hat man uns angegeben,
dass diese interessante Mitra aus dem Schatze des ehemaligen
Hochstiftes Meissen herrühre. Da bekanntlich Architektur, Ma-
lerei und Sculptur an dem Hofe des kunstsinnigen Luxembur-
gers, Kaiser Karl IV., Pflege und Entwickelung fanden, und die
ersten Maler ihrer Zeit: Nicolas Wurmser von Strassburg, Theo-
dorich von Prag und der Italiener Thomas von Mutina nach-
weislich hier im grossen Umfange thatig gewesen sind, so hat
auch durch die damals aufblühende Malerschule zu Prag die
Stickerei zu kirchlichen Zwecken einen erhöheten Aufschwung
daselbst genommen, und scheint es daher sehr wahrscheinlich,
dass diese Mitra in dem nahe liegenden Böhmen in der letzten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts ihre Entstehung gefunden habe
und zwar unter dem EinHusse von böhmischen Malern und Mi-
niatoren. Wie wir aus dem Schlusse des XIII. Jahrhunderts die
prachtvoll gestickte Capelle im Dome zu Anagni als den Höhe-
punkt der Stickerei des XIII. Jahrhunderts bezeichneten, so ver-
dient mit besonderer Auszeichnung als vollendetes Meisterwerk
der Nadelmalerei gegen Ende des XIV. Jahrhunderts das reich
gestickte Antependium in dem Museum des königlichen Garten-
palais zu Dresden genannt zu werden. i) Dieses Antependium
Stammt aus der Stadtkirche zu Pirna und wurde vor einigen
Jahren daselbst unter einer modernen Altarbekleidung wieder auf-
gefunden. Die mittlere Darstellung dieses Altarvorhanges zeigt uns
in zarter Composition und delicater technischer Ausführung die Krö-
nung der Mutter Gottes, die, namentlich im XIV. Jahrhundert, ein
Lieblingsgegenstand der bildenden Kunst war und die in Italien be-
11.7
Eine kleine Abbildung und kurze Beschreibung dieses Prachtwerkes mit-
telalterlicher Stickerei heündet sich in dem "Führer durch das Museum
des königl. sächsischen Vereins zur Erforschung und Erhaltung vaterländi-
scher Alterthümer irn- königl. Palais des grossen Gartens", von Dr. Schulz
und Dr. Klemm, Dresden 1856.
Siehe II. Heft der Mittheilungen des künigl. sächsischen Alterthums-Ver-
eins, S. 7.