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tuation findet man den heil. Joseph, den diämittelalterliche Kunst
nur bei der Geburt, bei der Anbetung der heil. drei Könige und
bei der Flucht nach Aegypten, so wie noch bei der Aufopferung
im Tempel als Nebenfigur darzustellen pflegte, seltener vor. Was
die sehr eigenthümliche Technik betrifft, in welcher in einem äusserst
regelmässig gewebten ungebleichten Straminleinen das Ganze de-
licat ausgeführt ist, so muss bemerkt werden, dass dieselbe sich
als geradlinigt neben einander fortlaufenden Strick- oder Flechten-
stich herausstellt, wodurch die Arbeit sehr an Ruhe und Solidität
gewonnen hat, obschon die {iguralen Darstellungen der ungefü-
gigen Technik wegen unbeholfener und steifer ausgefallen sind,
als es der Componist gewollt hat, der mit schwarzen Strichen die
schönen Zeichnungen kräftig auf der groben leinenen Unterlage
anlegte. Auf der Rückseite sind mit derben Kreuzstichen in
vielfarbiger Seide gestickt, von Laub-Ornamenten in sechs ecki-
gen Einfassungen umgeben , gedoppelt gegen einander gestellte
Täubchen, das Symbol der jungfräulichen Mutter mit der heil.
Familie, wie sie auf der Hauptseite zur Anschauung gebracht ist.
Die Feinheit der Stickerei, das daran angewandte Material von
Seide und die Wahl des Gegenstandes scheint für die Annahme
zu sprechen, dass diese Stickerei ehemals zum Einlass und Ueber-
zuge eines kleinen Polsters gedient habe, auf welchem entweder
das Messbuch gleichwie auf einem vpulpitum" lag, oder das auf
einem kleinen Betschemel als Armkissen beweglich niedergelegt
wurde. Noch verweisen wir im Vorbeigehen auf einzelne schmalere
"Aurifrisien", mit vielen kleinen Heiligenfiguren bestickt, wie
wir dieselben, aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
stammend, an einem mittelalterlichen Messgewande im Besitze Sr.
Gnaden, des Hochwürdigsten Herrn Laurent, Bischof von Cher-
sones, bewundert haben. Unter einfachen Baldachinen erblickt
man in Gold und Seide gestickt in sehr eigenthümlicher Technik
mehrere biblische Scenen in selten vorkommender Darstellungs-
weise, so dass die Deutung vieler schwer fallen dürfte. Bei spä-
tern Untersuchungen über den Entwickelungsgang, den die Na-
delmalerei zur Zeit Kaiser Karl's IV., des Luxenburgers, durch-
gemacht hat, dürften die letztgedachten kirchlichen Stickereien
keineswegs übersehen werden. Auch das königliche Museum zu
Dresden besitzt in jener Abtheilung zu ebener Erde in einem
Cabinete, wo einzelne Geschmeide, Prachtwaffen und andere Ge-
genstände des kriegerischen Schmuckes aufbewahrt sind, in einem
besondern Schranke einige sehr interessante bischöfliche Mitren.
Zwei derselben sind auf's reichste mit Perlen und Goldßtickereien