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anschaulicht als Frontal- und Dorsal-Ornamente sich in horizon-
taler Richtung zwischen den Stäben von Dalmatiken. Jede die-
ser reichen Perlstickereien stellt vor drei Heiligen, die in Halb-
{igur so in kleinen Perlen gestickt sind, dass sämmtliche Ge-
wandpartieen fast als Relief erscheinen, indem sich Perle an Perle
reiht. Bloss der F altenwurf der Gewänder ist durch eingestickte
Goldfäden angedeutet und sind nur die Umschläge einzelner Ge-
wänder in mehrfarbiger Seide gestickt. Sämmtliche Halbfiguren
sind einem Goldfond a or battu aufgefügt, der aber auch wieder
durch breitgezogenes Laubwerk in zarten Perlen belebt und ver-
reichert wird. Die reiche Perlstickerei, wovon uns Tafel XI. eine
Copie verschafft, stellt den Heiland im Brustbilde dar, umgeben
von zwei böhmischen Landespatronen, dem heil. Herzog Wenzel
und dem heil. Sigismund, König von Burgund. Der Ungeschmack
hatte es sich im Anfange des vorigen Jahrhunderts beikommen
lassen, die Incarnationstheile dieser zwölf äusserst zart in orien-
talischen Perlen gestickten Heiligenüguren mit kleinen Pergament-
stücken zu verdecken, auf welchen mit nicht besonderer Bravour
ein Maler des XVIH. Jahrhunderts die fraglichen Gesichtsbiltlun-
gen in Miniaturen gemalt hatte, so zwar, dass dadurch die in-
teressanten feinen, in Plattstich gestickten Gesichtsbildungen der
einzelnen Figuren vollständig verdeckt wurden. Der entgegenkom-
menden Freundlichkeit des früher gedachten kunstsinnigen Schatz-
meisters von St. Veit haben wir es beizumessen, dass unsere
Vermuthung durch den Erfolg bestätigt wurde. Es fand sich
nämlich bei der bereitwilligst zugestandenen Abtrennung dieser
wenig künstlerisch auf Pergament gemalten Köpfe, dass darunter
die alten zartgestickten Gesichtsbildungen in unregelmässigem
Plattstich sich noch ziemlich gut erhalten hatten. Sowohl die Tech-
nik als auch die Composition dieser in Perlen gestickten Figuren
haben uns, auf Inventare gestützt,' die Ueberzeugung beigebracht,
dass diese zierlichen Meisterwerke kostbarer kirchlicher Stickerei
zur Regierungszeit KarPs IV. in der letzten Hälfte des XIV. J ahrhun-
derts ihre Entstehung gefunden haben dürfte. Indem wir hier be-
treffs der weiteren Beschreibung dieser höchst interessanten Stickerei
auf den II. Band 2. Heft, Seite 21 des „Kirchenschmuckes" verweisen,
wo wir dieselben ausführlicher besprochen haben, geben wir hier noch
den Wunsch zu erkennen, dass man diese vier Bruchstücke einer
grossartigen Perlstickerei als Belege einer untergegangenen Kunst-
weise und die einzig noch voründlichen Beispiele, mit welcher Kost-
barkeit des Materiales und Eleganz der Technik diese Kunst am
Hofe KarPs IV. geübt wurde, ihrem jetzigen ganz unpassenden