Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

 
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ist dies nämlich jene kostbare Dalmatik, angefertigt aus phönici- 
sohem Seidenpurpur, wie sie schon in der Uebergabs-Urkunde 
Ludwigs, Markgrafen von Brandenburg, Sohn Kaiser Ludwigs 
des Baiern, an den Kaiser Karl IV. im Jahre 1350 aufgeführt 
ist: „et alia phoenicea toga cum nigris aquilis et unus glo- 
bus". 1) Diese Dahnatik, die wahrscheinlich niemals über der 
Kaiser-Albe und unter dem reich gestickten Kaisermantel an- 
gelegt, sondern bei andern feierlichen Gelegenheiten als reich 
gesticktes Übergewand getragen wurde, ist nämlich in seiner 
ganzen Länge mit einköpfigen heraldischen Adlern schwarz 
auf goldenen Fonds zierlich ornamentirt, und zwar sind diese 
Schwarzen Adler auf goldenen Kreismedaillons so gestickt, dass 
sie, nach einem gewissen Systeme folgend, das kostbare Obergewand 
ganz ausfüllen. Diese Kaiser-Dalmatik hat lange, weite Aermel 
und steigt bis weit über die Knöchel herunter, so dass sie, 
wenn der Träger klein von Gestalt war, mittels eines Cingu- 
lums aufgeschürzt werden musste. Die Saume an den Aer- 
meln , so wie an dem untern Rande und dem ansteigenden 
Einschnitte zu beiden Seiten, sind mit äusserst delicat gestick- 
ten Brustbildern verschiedener Könige und Königinnen ver- 
ziert, die im feinen Plattstich von schwungvollen Laub-Orna- 
menten umgeben, auf einer in Goldfaden gestickten Unterlage 
applicirt sind. Wir lassen es dahin gestellt sein, 0b diese Brust- 
bilder die Könige des alten Testaments, die Nachfolger auf dem 
Königsstuhle David's reprasentiren, oder aber ob sie Portraits nach 
dem Leben, die Nachfolger KarPs des Grossen, die deutschen 
Kaiser und die Könige Frankreichs vorstellen sollen. Wir wür- 
den der letztern Ansicht weniger beipflichten. Das aber lässt 
sich mit Sicherheit behaupten, dass ein Streben nach Individua- 
lisirung in den Gesichtsausdrücken bei diesen vielen zartgestickten 
Köpfen von Königen zu ersehen ist, und ist es dem Kunst- 
sticker gelungen, sogar hin und wieder in den Mienen etwas 
Charakteristisches und Markirtes, irgend einen Affect zur Dar- 
stellung zu bringen. Bei Gelegenheit der Erwähnung dieser vie- 
1911 gesticktem Portraits an der Kaiser-Dalmatik in dem Schatze 
zu Wien holen wir hier nach, dass die Stiekkunst, wie das aus 
Troubadours und Minnesängern erhellt, im XIII. und XIV. Jahr- 
hundert es vielfach versuchte, Personen nach dem Leben in fein- 
x) In der Empfangs-Urkunde Kaypg IV. wird diese phönicische PurpupToga 
genannt: „ein ander praunen Rock mit schwarzen Adlern" und in dem 
Uebergabs-Diplom Sigismuncfs „ein' praun Dalmatik Sant Carles." 
Liturgische Gewänder. 16
	        
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