Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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Heilandes und der allerseligsten Jungfrau veranschaulichen, wie die- 
selbe an dem eben gedachten Geschenke Bonifacius, VIII. vorkommen. 
Fast sämmtliche in dieser Abhandlung beschriebenen Nadelmalereien 
haben wir genauer besichtigt und vor dem Originale selbst unsere 
Meinung gebildet. Leider wussten wir bei einem längern mehr- 
maligen Verweilen im südlichen Frankreich nichts von der Exi- 
stenz dieser „chape de Saint Louis de Toulouse" 1) und wollen wir 
deswegen ohne irgend ein Bedenken der Ansicht des gelehrten 
französischen Archäologen bei seinen gediegenen Kenntnissen bei- 
Pflichten, Selbst sogar, wenn er glaubt, dass diese iigurenreichcn 
Prachtstickereien zu Toulouse französische und nicht niederdeut- 
sehe (flämisehe) Stickereien Seien. Mit Ausschluss dieser pracht- 
vollen Nadelarbeiten an der eben erwähnten "chape de Saint 
Louis" kann sich Frankreich heute des Besitzes von nur verhalt- 
nissmässig sehr wenigen hervorragenden kirchlichen Stickereien aus 
der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts rühmen. 2) Bloss in dem 
ehemals so reichhaltigen Schatze der Krönungskirche französischer 
Könige zu Rheims, Wo man heute nur noch die reichen, aber 
formlosen, von der Fabrik gepressten Geräthschaiten der letzten 
Krönung KarPs X. sieht, ianrlen wir noch einige ältere ausge- 
zeichnet schöne Messgewänder in dem malerischen faltenreiehen 
Schnitte des XIII. Jahrhunderts, die heute noch an den „fetes de 
deuil" gebraucht werden. Einige derselben 3) zeigen noch merk- 
würdige Goldstickereien in den Besätzen. So bewundert man auf 
dem reichsten Messgewande daselbst die grossartig ideelle Darstel- 
lung des „arbor vitae", vollständig als ornamentalcr Baum ge- 
halten, ohne Bild des Gekreuzigten, wie wir diese Auffassung 
und Darstellung in Gold gestickt nie anderswo gesehen haben. 
_In der vierten Abtheilung dieses Werkes werden wir die voll- 
Eine treHliche ausführliche Beschreibung dieser Stickereien, mit 16 Abbil. 
dungen, erschien 1855 unter dem Titel: „Notice sur la chape de saint 
Louis, eveque de Toulouse, par L. et Ph. Rosten." 
{Tnglücklicherweise versprechen die reichen Goldstickercien der kostbaren 
priesterlichen Gewänder in den vielen Schatzkammern der französischen Kathe. 
dral- und Stiftskirchen den neuem Revolutionshelden eine erwünschte Beute 
und so verbrannten und verschleppten denn die Freiheitsmänner eine im. 
glaubliche Menge von altlitnrgischen Prachtstickereien, an denen der kunst- 
historische Werth den unbedeutendern materiellen Werth oft um das 
Hundertfache übertraf. 
Der grossen Gefälligkeit des Herrn Abbe Gcrard, Kanoniker an der K1" 
thedrale zu Rheims, verdanken wir nicht nur eine gelungenere Photowmy]: 
der reichsten dieser Messgewänder, sondern auch die genauen An 11b 1 He 
Schnittes derselben. g" m1 (ICH
	        
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