Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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die technische Ausführung derselben, scheinen uns fast die Tradition 
verbürgen zu wollen, dass das Gewand mit der dazu gehörigen 
Stole und Manipel wirklich aus den Tagen Albertus Magnuä her- 
rühre und zu dem grossen Manne in näherer Berührung gestan- 
den haben möge. Noch fügen wir der Beschreibung der Stole 
und Manipel hinzu, dass sämmtliehe Figuren stehend angebracht 
sind auf einem mit goldenen Blümchen in Kleeblattfonn bestickten 
Felde. Eine andere nicht minder merkwürdige Capelle (eine 
Casel und zwei Leviten) mit interessanten Stickereien, ebenfalls 
aus der letzten Hälfte des XIII. Jahrhunderts herrührend, besitzt 
die heutige Pfarrkirche St. Johann Baptist zu Burtscheid (bei 
Aachen). Der Grundstoff dieses Ornates besteht ebenfalls aus 
blauem, ungleich fabricirtem Seidenplüsch von der frappant ähn- 
lichen Beschaffenheit und Farbennuancirung, wie der am Mess- 
gewantle von Albertus Magnus. Sammtliche Figurstickereien, in 
kleinen Vierpassformen als Medaillons eingefasst, sind in Gold 
und Seide im Plattstich ausgeführt und stellen vor IIauptbegeben- 
heiten aus dem Leben des Heilandes in kleinen Scenerieen. Lei- 
der hat man vor langen Jahren diese kleinen gestickten Medaillons 
von dem primitiven Grundstoffe, worauf sie sich ehemals be- 
fanden, losgetrennt und auf einen Rothsammet alsdann über- 
tragen, so dass es heute zweifelhaft geworden ist, in welcher 
Reihenfolge, Aufstellung und Anordnung diese zierlich gestickten 
Scenerieen angebracht gewesen sind. Auch die Goldstickereien 
an den dazu gehörigen Stolen bieten für das selbstständig ent- 
wickelte Auftreten der Stickkunst im XIII. Jahrhundert frappante 
Belege. Die unstreitig prachtvollste und grossartigste Nadelmalerei, 
welche die Blüthezeit der Stickkunst am Schlusse des XIII. 
Jahrhunderts genügend bezeichnet, besitzt heute noch die Dom- 
kirche zu Anagni, deren bischöflichen Stuhl der grosse Innocenz 
III., aus dem Hause Conti, vor seiner Erhebung inne gehabt 
hatte. Diese reich gestickte Capelle, die mit noch mehrern andern 
altern Stickereien dem Schatze der Kirche zu Anagni, wie keiner 
andern Kathedrale Italiens zur Zierde gereicht, ist vielfach als ein 
Geschenk Innocenz, III. irrthümlich bezeichnet worden, und würde 
ihre Anfertigung demnach in den Schluss des XII. Jahrhunderts 
fallen müssen, mit welcher Annahme jedoch die charakteristische 
Composition der vielen Figuren und ihre Ausführung im vollsten 
Widerspruche steht. Nach länger-n Studien, die wir im Schatze 
von Anagni vor den gedachten prachtvollen Originalstickereien 
einige Tage hindurch vorzunehmen Gelegenheit hatten, stimmen 
W1I' mit Barbier de Montault darin überein, dass die in Rede
	        
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