228
ausfüllende Zwischendessins vorstellend, kommen in diesem pracht-
vollen Pallium vor in ähnlicher Bildung, wie dieselben auf Tafel II.
neben den Bildern der Apostel ersichtlich sind. Als ein besonders
reiches Goldgewebe macht sich an diesem Pallium die „aurifrisia,
periclysis" bemerklich, die in ziemlicher Breite, mit merkwürdi-
gen polygonen Zickzackdessins, auf die Kunstfertigkeit eines orien-
talischen Volksstammes deutlich hinweisen, der in der Algebra und
Geometrie bereits imXIII. Jahrhundert grosse Fortschritte gemacht
hatte. Im „Organ für christl. Kunst" (im Mai 1858) werden wir mit
Abbildung eine ausführliche Beschreibung dieses merkwürdigen Pal-
liums veröffentlichen, worin wir die geschichtlichen Beweise beizu-
bringen versuchen werden, dass diese kunstreiche Stickerei zu be-
trachten sei als Kaisermantel Ottds IV der von den bekannten
"phrygiones" Siciliens angefertigt und von Kaiser Otto IV. testa-
mentarisch der Kirche St. Aegidien zu Braunschweig bei seinem
Sterben vermacht worden ist. Eine andere hervorragende Stickerei,
die nicht nur ihrer guten Erhaltung wegen, sondern auch hinsicht-
lich ihrer vielen kunstreich gestickten Scenerieen eine hervorra-
gende Stelle unter den Nadelwirkereien der angeregten Periode
verdient, hatten wir Gelegenheit im Domschatze zu Salzburg zu
bewundern. Diese kostbare Nadelmalerei diente ehemals zweifelsohne
als Antependium, das an Festtagen den Hauptaltar des Domes zu
Salzburg zu zieren bestimmt War, der leider im XVI. Jahrhun-
dert niedergelegt und durch einen Neubau in einem unerquick-
lichen modernen italienisirenden Style ersetzt werden ist. Dieser
Vorhang, im feinsten Plattstiche gestickt, zeigt nämlich in vielen
Kreismedaillons die Hauptmomente aus dem Leben des I-Ieilandes
und der allerseligsten Jungfrau, und finden diese schön compo-
nirten und in höchster Perfection ausgeführten Scenerieen eine
nähere Erläuterung durch die betreiienden Stellen der h. Schrift,
welche in den umgebenden Kreisen eingestickt sind. Unserem
Dafürhalten nach dürfte dieses grossartige Werk mittelalterlicher
Stickkunst gegen Schluss des XIII. Jahrhunderts anzusetzen sein. 1)
Ein anderes nicht weniger hervorragendes Denkmal kirchlicher
Stickkunst befindet sich auf jenem ehrwürdigen Messgewande,
worin die sterbliche Hülle eines der grössten Männer des XIII.
Gewiss wird das bekannte grosse Interesse der k. k. Central-Commission
für Erhaltung und Beschreibung hervorragender Ueberbleibsel mittelalter-
licher Kunst im österreichischen Kaiserstaate Sorge tragen, dass dieses
ausgezeichnet schöne und vortrefflich gestickte Antependium im Dome zu
Salzburg in den monatlichen "Mittheilungen" eine eingehende Beschreibung
mit Abbildung finden wird.