Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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ausfüllende Zwischendessins vorstellend, kommen in diesem pracht- 
vollen Pallium vor in ähnlicher Bildung, wie dieselben auf Tafel II. 
neben den Bildern der Apostel ersichtlich sind. Als ein besonders 
reiches Goldgewebe macht sich an diesem Pallium die „aurifrisia, 
periclysis" bemerklich, die in ziemlicher Breite, mit merkwürdi- 
gen polygonen Zickzackdessins, auf die Kunstfertigkeit eines orien- 
talischen Volksstammes deutlich hinweisen, der in der Algebra und 
Geometrie bereits imXIII. Jahrhundert grosse Fortschritte gemacht 
hatte. Im „Organ für christl. Kunst" (im Mai 1858) werden wir mit 
Abbildung eine ausführliche Beschreibung dieses merkwürdigen Pal- 
liums veröffentlichen, worin wir die geschichtlichen Beweise beizu- 
bringen versuchen werden, dass diese kunstreiche Stickerei zu be- 
trachten sei als Kaisermantel Ottds IV  der von den bekannten 
"phrygiones" Siciliens angefertigt und von Kaiser Otto IV. testa- 
mentarisch der Kirche St. Aegidien zu Braunschweig bei seinem 
Sterben vermacht worden ist. Eine andere hervorragende Stickerei, 
die nicht nur ihrer guten Erhaltung wegen, sondern auch hinsicht- 
lich ihrer vielen kunstreich gestickten Scenerieen eine hervorra- 
gende Stelle unter den Nadelwirkereien der angeregten Periode 
verdient, hatten wir Gelegenheit im Domschatze zu Salzburg zu 
bewundern. Diese kostbare Nadelmalerei diente ehemals zweifelsohne 
als Antependium, das an Festtagen den Hauptaltar des Domes zu 
Salzburg zu zieren bestimmt War, der leider im XVI. Jahrhun- 
dert niedergelegt und durch einen Neubau in einem unerquick- 
lichen modernen italienisirenden Style ersetzt werden ist. Dieser 
Vorhang, im feinsten Plattstiche gestickt, zeigt nämlich in vielen 
Kreismedaillons die Hauptmomente aus dem Leben des I-Ieilandes 
und der allerseligsten Jungfrau, und finden diese schön compo- 
nirten und in höchster Perfection ausgeführten Scenerieen eine 
nähere Erläuterung durch die betreiienden Stellen der h. Schrift, 
welche in den umgebenden Kreisen eingestickt sind. Unserem 
Dafürhalten nach dürfte dieses grossartige Werk mittelalterlicher 
Stickkunst gegen Schluss des XIII. Jahrhunderts anzusetzen sein. 1) 
Ein anderes nicht weniger hervorragendes Denkmal kirchlicher 
Stickkunst befindet sich auf jenem ehrwürdigen Messgewande, 
worin die sterbliche Hülle eines der grössten Männer des XIII. 
Gewiss wird das bekannte grosse Interesse der k. k. Central-Commission 
für Erhaltung und Beschreibung hervorragender Ueberbleibsel mittelalter- 
licher Kunst im österreichischen Kaiserstaate Sorge tragen, dass dieses 
ausgezeichnet schöne und vortrefflich gestickte Antependium im Dome zu 
Salzburg in den monatlichen "Mittheilungen" eine eingehende Beschreibung 
mit Abbildung finden wird.
	        
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