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und an das Tageslicht wieder zu ziehen Veranlassung gegeben
haben. Wir fügen hier noch hinzu, dass die interessantesten und
reichsten liturgischen Gewänder in der „Zither" zu Halberstadt
grösstentheils dem XIII. Jahrhundert ihre künstlerische Anfer-
tigung zu verdanken haben. Unter diesen Ornaten sind beson-
ders einige kostbar ornamentirte Mitren, mehrere kunstreich ge-
stickte Altarvorhange und interessante Messgewänder hervorzu-
heben. Namentlich erregte eine der vielen daselbst aufbewahrten
Infulen, der auf derselben sehr eigenthümlich gesticktem Darstel-
lungen wegen, unsere besondere Aufmerksamkeit. Diese ninfula",
aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts herrührend, zeigt
keine Stäbchen, die sich aufrecht erheben, "tituli", sondern bloss
einen Einfassungsstab, der als schmales goldenes Band, "cireulus",
rund um den untern Rand der Inful geführt ist und worin aus-
schreitende kleine Löwen kunstreich gewirkt sind. Auf der vor-
dern breiten Fläche der Miter hat die Kunst der Stickerin, in
Plattstieh zur Darstellung gebracht, iigürlich gegeben: den Kampf
des Judaismus mit dem Christenthume. Ein christlicher Ritter
hat nämlich einen Juden, kenntlich durch seinen Bart und den
spitzen Judenhut, mit dem Barte gefasst und das Schwert
erhoben, um seinen Gegner zu Boden zu strecken. Auch in der
Sacristei der St. Marienkirche zu Danzig fanden wir aus dem
Schlusse des XIII. Jahrhunderts mehrere reiche liturgische
Stickereien, desgleichen in einer Kirche zu Stralsund. Auch
die Marktkirche zu Braunschweig hat unter ihren vielen alt-
liturgisehen Gewändern noch einige interessante Stickereien aus
dieser Zeit aufzuweisen. Leider hat in katholischen Kirchen die
Renaissance und der verdorbene, unkirchliche Geschmack des
letzten naufgeklärtent" Jahrhunderts eine Menge solcher Pracht-
schätze der Stickkunst des XIII. Jahrhunderts unwiderbringlich
verschwinden lassen. Wahrscheinlich mochten durch langjährigen
Gebrauch viele dieser reichen Stickereien in den letzten Jahr-
hunderten sehr gealtert sein und deswegen als antiquirt bei Seite
geschoben werden sein. Was sich noch von diesen Üeberresten
eines ehemals blühenden Kunstzweiges bis zu Ende des vorigen
Jahrhunderts gerettet hatte, das hat vollends der gefrassige Schlund
der Revolution zu Anfange dieses Jahrhunderts verschlungen.
Diesen Ursachen ist es zuzuschreiben, dass sich in katholischen
Kirchen verhältnissmässig nur noch sehr wenige hervorragende Ue-
berbleibsel an kirchlichen Stickereien erhalten haben, die Zeugnis-S
ablegen, welchen Formenreichthum und welche Höhe der techni-
Sßhen Ausbildung die Stickkunst mit dem Aufkommen des neuen