221
und zünftig wurde. Das XIII. Jahrhundert kann mit Recht als
die Zeit der socialen und religiösen Vereine, Innungen etc. be-
zeichnet werden. Wie Baumeister und Steinmetzen um diese
Zeit zu einer sich weit Vverzweigenden Baubruderschaft sich zusan1-
men vereinigten, wie auch die Maler und Goldschmiede, jedes Gewerk
für sich, im Verein zusammentraten und die Rechte ihrer Zunft (lurch
einträchtiges Zusammenhalten zu wahren und zu schützen suchten,
so entstand auch bei dem erhöheten Verbrauch gegen Ende des XIII.
Jahrhunderts im Bereiche der Stickerei, die sich von dem Klo-
ster und ihren frühern Lehrmeistern zu emancipiren gewusst
hatte, eine socialetVerbindung in Weise der übrigen Innungen
und Zünfte, die namentlich am Rheine in dem folgenden Jahr-
hunderte zu grosser Blüthe gelangte, und unter dem Namen der
Bild- und Wappenstieker-Zunft in altern Rathsbüchern und
Schriften häufig Erwähnung findet. Da, wie eben angedeutet
wurde, in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts den frü-
hem klösterlichen Anfertigern von kirchlichen Ornamenten und
Stickereien ausser den geübten Stiekerinnen auf Burgen und
Schlössern und in den Frauengemächern der reichen Patricier,
namentlich in den sich allenthalben bildenden Bild- und W appen-
sticker-Zünftcn ein neuer thätiger Ooncurrent entstanden war, so
dürfte man hier wohl mit Grund die Frage aufwerfen: ob mit
dieser Vermehrung der künstlerischen Arbeitskräfte auch das Be-
dürfniss nach einer grössern Zahl von kirchlichen Gewändern
und eine erhöhtere, reichere Ausstattung derselben sich als fühl-
bar herausgestellt hatte. Es diene Folgendes darauf zur Beant-
wortung. Zu dem frühern Orden der Benedictiner, der mehrere
Jahrhunderte hindurch, für Sich allein Stehend, der Kirche zur grossen
Zierde gereichte, trat mit dem XII. Jahrhundert der Orden der Ci-
stercienser hinzu, der sich alsbald einer schnellen Ausbreitung im gan-
zen Occident erfreute. Im XIII. Jahrhundert sehen wir die Stiftun-
gen des h, Dominieus, des h. Franz von Assisi und des h. Norbert
rasch aufblühen und sich unglaublich schnell in Stadt und Land
des Oceidents verbreiten. Auch die Stifts- und Pfarrkirchen hatten
um diese Zeit sich hinsichtlich der Zahl des Klerus bedeutend
Vermehrt, so dass bei der grossen Zahl der Stifts-, Kloster- und
Pfarrgeistlichkeit auch ein erhüheter Bedarf an liturgischen Ge-
wändern eingetreten war, die die Vorliebe und Neigung für
Formenreiehthum und Zierrathen aller Art, so wie die fromm-
glättibige Opferwilligkeit für den Schmuck und die Würde der
Kirche und die reiche Ausstattung der priesterlichen Ornate auf
jede Weise durch die Kunst des freien Ilandstickens älugzu-