Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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die auch „die sarazenischen" genannt wurden, aus dem Oriente und 
gelangten durch die Züge Ludwigs des Heiligen von Frankreich 
in den Occident. Welchen ausgedehnten Gebrauch diese gestickten 
Schmuckgegenstände fanden, lässt sich schon daraus entnehmen, 
dass gegen Ende des XIII. Jahrhunderts sogar eine bestimmte 
Classe von Arbeitern mit eigenen Statuten vorkommt, die sich 
vorzugsweise mit Anfertigung dieser zierlichen und reich ge- 
stickten Hängetäschchen beschäftigten. Diese Almosenbeutelchen 
durften damals an keinem Prachtkleide der Frau von Stande 
und des Edelfräuleins fehlen, zumal wenn sie ihren Kirchengang 
hielten, um theilweise nicht nur das Opfer- und Kirchengeld darin 
aufheben zu können, sondern auch jene kleinen Münzen, die 
man mildthätig den Armen zu geben gewohnt war. Auch die 
Religiösen verschiedener Orden verschmähten es nicht, solche 
kunstreiche Hangetaschchen, wovon man die schönen Vorbilder 
über's Meer bezog, anzufertigen. Dieselben dienten jedoch mei- 
stens dazu, als Reliquiarien und Behälter gebraucht zu werden, 
worin man geweihte Sachen und Ueberbleibsel der Ileiligen ehr- 
furchtsvoll aufbewahrte. So haben wir in vielen Sacristeien ähn- 
liche äusserst kunstvoll in Seide und Gold gestickte „Reposito- 
rien" gesehen, die, mit kirchlichen Emblemen verziert, heute noch 
zur Aufbewahrung verschiedener Reliquien dienen. Solcher ge- 
stickten Reliquientäschehen beünden sich unter Anderm in der 
Sacristei der Kirche St. Servatius in Maestricht und in dem 
Schatze der St. Gereonskirche zu Köln. 1) Das Reliquientäsch- 
chen in der Sacristei der letztgenannten Kirche ist auf eine in- 
teressante Weise auf Stramin in vielfarbiger Seide gestickt, und 
Zwar dürfte man diese Nadelarbeit wohl mit dem Ausdrucke "ala 
grecque" bezeichnen, indem in dieser Stickerei mehrfache Remi- 
niscenzen an griechische und römische Ornamentationen vorkom- 
men. Noch bemerken wir hierbei gelegentlich, dass solche ge- 
stiekte "escarcelles" vom XIIl-XV. Jahrhundert selbst als 
Schmuck an der Seite des reichen Patriciers erscheinen, was sich 
an Malereien aus damaliger Zeit vielfach nachweisen lässt 2) S0 
Scheint auch jener unglückliche Hermann von Goch mehrere sol- 
cher reich verzierten Almosentäschchen getragen zu haben. Im 
Stadtarchive zu Köln sahen wir unter andern kleinen Gebrauchs- 
gegenständen von diesem reichen kölnischen Patricier drci sol- 
 
i) Auch die St. Ursulakirche besitzt ein kleines Reliquienküstchen, das mit 
interessanten gesticktem Dessins in Seide überzogen ist, 
2) Vgl. hierüber die Abbildungen in dem trcfflichen Trachtcnwerk von Pmf 
Dr. von Hefner-Alteneck.  
Liturgische Gewänder. 'F 15
	        
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