Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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worden war, und dass namentlich gegen Schluss des genannten 
Jahrhunderts von den Ufern des Rheins bis zu den Quellen des 
Tajo wenige Burgengefunden werden mochten, wo nicht die Schloss- 
herrin mit ihren Töchtern einer solchen Kunstbeschäftigung oh- 
lag. Mit den verschiedenartigsten Thierbildungen wurden um 
diese Zeit die Waffenrüeke und übrigen Gewandstficke der Ritter 
bestickt, desgleichen die kunstreichen und prachtvollen Behänge 
der Rosse, sogar die Gezelte waren nicht selten von Seide, mit 
reichen Stickereien verziert. So liest man im „kleinen IIelden- 
buche" eine Scene aus Alphartis Tod, eine Dichtung, dem XIII. 
Jahrhundert angehürend, Seite 106:  
„Bald sah man ihn gerüstet im ritterlichen Kleid, 
Den Wappenroek mit Thieren von Golda wohl bestreut." 
Ferner lesen wir in König Ortnifs Meeriahrt und Tod, 
Seite 324: 
„Da sprach von Sicilien der Herzog Zachareis, 
Ich will dir reichlich steurcn, Herr König Orteneit, 
Für zwanzigtausend Helden Sammt und Seidenkleid, 
Wie man es reich mit Golden durchschlagen nxag und weben, 
Des will ich dir die Fülle mit Zwanzigtausend Helden geben," 
Hinsichtlich reich gestiekter Gezelte, die im XIII. Jahrhun- 
dert vielfach in Gebrauch gekommen, heisst es in "demselben Hel- 
denbuche, Seite 384: 
"Da hütteten die Herrn auf das weite Feld, 
Sie spannten auf den Anger manches herrliche Gezelt, 
Die ihm der reiche Heide zu Messin gegeben, 
Zwei waren Gold und Seide von köstlichen Geweben." 
Auch waren es besonders die Helmzierde, die Schärpe, das 
Fähnlein, das durch die Kunst der Nadelarbeit seinen passenden 
Schmuck erhielt. So lesen wir in dem Heldengetlichtc Gudrun, 
das von einigen treffend als Gegenstück der deutschen Ilias, 
die Niebelungen, die deutsche Odyssee genannt wird, dass die 
Heldin dieses Epos, Gudrun mit Namen, in einem Gewand 
durch künstliche Nadelarbeiten die Geschichte der Vorfahren 
Siegfrieds einzuflechten verstanden habe. Auch von Brunehild wird 
erzählt, dass sie kostbare Gewänder gestickt habe. Ferner wird 
in der Dichtung von Helmbreeht, dem Meierssohn (um 1240) 
eine Haube beschrieben, die mit Recht in Anbetracht der in 
Menge darauf gesticktcn Scenerieen als ein vorzügliches Meister- 
werk der hühern Stickkunst betrachtet werden kann, Es sollen 
nämlich darauf gestickt gewesen sein nicht nur jene beliebten 
Thiergestalten des Mittelalters, die in Sculptilr und Malerei jener
	        
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