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sondern auch auf die cigenthfimliehe Beschaffenheit des Futter-
zeuges, der Technik, so wie der gestickten Dessins. Eine Menge
Gründe bieten dringende Veranlassung anzunehmen, dass diese
merkwürdige Chorkappe zu jenem prachtvollen Krönungsztpparate
gehörte, der zur Zeit des Interregnuxns von Richard von Corn-
ivallis, bei Vorenthaltung der üblichen altern Krönungsinsignien,
aus England nach Aachen für diesen feierlichen Moment her-
beigezogen und durch eben denselben Fürsten, bekanntlich dem
reichsten Manne seines Jahrhunderts, für alle folgenden Zeiten
dem Domsehatze zu Aachen für die Krönungen deutscher Kö-
nige überwiesen wurde. Da wir im IV. Theile dieses Werkes
eine Abbildung der Stickereien an diesem "paludamentum regale"
beibringen werden, so (lürfien wir uns hier in der Beschrei-
bung nur kurz fassen und bemerken vorübergehend, dass die
Pluviale früher ein einfaches Gewand war, wie es auch der
Name schon andeutet, für die Sänger und andere Kirchendiener, und
das erst mit dem XII. Jahrhundert erweislich zum bischöflichen Ge-
brauche erhoben wurde. In seiner Ganzheit ist dieses "pallium regale"
zu Aachen mit den interessantesten Stickereien ornamentirt und
das nicht nur an den vordern Stäben (praetexta) und der hinten
befestigten, äusserst kleinen dreieckigen Kappe (clipeus), son-
dern auch in dem ganzen Grundstoffe, Woraus dieser Chor-
mantcl besteht. Als Grundstoff erblickt man nämlich einen
äusserst zarten dunkelrothen Seidensammet von delicater Fabri-
kation. Dieser feine "examitum", wie man denselben in dieser
technischen Vollendung erst seit dem XIII. Jahrhundert anzu-
fertigen verstanden hat, ist netzförmig mit kleinen Quadraten in
Goldfäden durchzogen. Mitten in diese Quadrate hat die englische
Stickkunst jedesinal eine Art von kleinen Blätterrosetten angebracht.
Das grösste Interesse aber bietet für unsere vorliegende liTage
die höchst merkwürdige Stickerei der schmalen vordern Stäbe,
wie wir eine solche eigenthümliche Technik seither noch nir-
gendwo an einer mittelalterlichen Nadelarbeit angetroffen haben.
Die Grundlage bildet ein aus grüner Seide gesticktes Blätter-
werk, jedoch sind wir bei dem heutigen unsichere Schwanken der
technischen Ausdrücke für die verschiedenen Arten des Stickens
nicht in der Lage, mit einem bestimmten Terminus diese höchst
eigenthümliche Stickart zu bezeichnen, wie man eine solche an
andern Prachtgewändern kaum mehr vorfinden dürfte. Dieses
zierlich gestrickte Blätteriverk liegt an mehrern Stellen frei auf
und scheint uns aus freier Hand fast wie eine sehr feine Häkel-
oder Knöppelarbeit angefertigt und später stellenweise auf eine