208
Typus romanischer Blatterformen erkennen lassen, sind aus Per-
len ebenfalls zusammengesetzt und in verschiedenen Farbtifvnen ge-
geben. Die Halbfigui- selbst, die der ungcfügigerx Technik wegen
etwas derb und steif erscheint, wird gebildet (vgl. Tafel X.)
durch eine Zusammenfügung von hellrothcn kleinen Coiallcn-
perlen, wodurch das Obergewand formirt wird und durch kleine
orientalische echte Perlen, wodurch die Incarnittionstheilc und das
Untcrgewand angezeigt sind. Sämmtliche Umrisse der IIalbfigur,
entweder eine Darstellung der Madonna oder auch die allegorische
Figur der „Ecclesia" als Siegerin mit der Krone, sind abgefasst
mit kleinern Goldpcrlen, wie sie noch heute bei modernen Sticke-
reien häufig in Anwendung kommen. Mit diesen Goldpcrlen sind
auch die übrigen Umrisse contourirt. Die Krone, womit die eine
Halbfigur geziert ist, besteht aus silbervergohleten Metallblcehen, die
vermittels kleinerer Ocffnungcn auf der Ginmllage befestigt sind.
Um dieser Perlstiekerci einen kräftigen IIalt zu geben, hat man
sämmtliche Perlen auf einer Grundlage von Pcrgament gestickt,
die man, um sie biegsam zu erhalten, wiederum mit einem grü-
bern Leinen hinterlegt hat. Diese Stickerei dürfte, unserer Ver-
muthung nach, aus der Mitte des XIII. Jahrhunderts herrühren.
In dieser originellen Technik findet man an den Altarvorhangen
in den Gewandzimmern des Domes von Ilalbcrstarlt mehrere
meistentheils Hgürliche Stickereien als kleinere Medaillons, qua-
dratisch formirt, die sammtlieh im XIII. Jahrhundert kunstrcich
angefertigt werden sind.
Die Sucht nach Abwechselung in der Form, nach Verschie-
denheit in Wahl der Farben und des Materials und der Verschie-
denheit in der technischen Ausführung war bereits im XIII. Jahr-
hundert Veranlassung, dass namentlich die Stickerei zu kirchlichen
Zwecken mit dem frühem einfacher-n Materiale und der oft einfachen,
ja naiven Technik sich kaum mehr zufrieden gab, sondern da-
rauf Bedacht nahm, mit einer entwickelten Form und lebendigem
Farben auch einen grössern Reichthiml eines ungewöhnlichen
Matcriales in die Stickerei 1nit einzuflechtcn und dadurch ihren
Reiz zu erhöhen. Die Stickerei schmückte sich also, so zu sa-
gen, mit fremden Federn und befreundete sich mit zwei andern
verwandten Künsten, um in Verbindung mit denselben das Reichstc
und Prachtvollste zu erzielen. Man veranlasste nämlich den Gold-
schmied, in kleinen Medaillons, von sehr dünnen Silberblechen ge-
trieben oder gepresst, Scenerieen, meistens entnommen aus dem
Leben des Heilandes, darzustellen. Diese so scenerirten vergol-
deten Silberbleehe wurden vermittels kleiner Oeifnungen und