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Heiland thront, wie immer, sitzend auf dem Regenbogen, um-
geben von den vier symbolischen Zeichen der Evangelisten. Da
nach griechischer Weise bei solchen Darstellungen als Erklä-
rung nie die Inschriften fehlen, so liest man neben dem ge-
kreuzten Nimbus, das Symbol der Gottheit, zu beiden Seiten
des jugendlich im glorificirten Leibe dargestellten Erlösers fol-
gendes Legendarium: 1D 1T), "H PINALYTASIE K H ZQHÄ Den
Herrn in seiner Glorie, wie er sie hatte von Anbeginn, um-
geben, von einem goldenen Ringe eingefasst, vorstellend das
Himmelsgezelt, die Chöre der Engel in ihren verschiedenen Ab-
stufungen und Weiter unten die verschiedenen Coetus der Hei-
ligen, gruppenweise geordnet, wie sie in den grössern Litaneien
aufgeführt werden. Auf dem einen Schulterstücke an dem of-
fenen Aermel des Prachtgewandes hat der Kunststicker zur Dar-
stellung gebracht die Scene der Austheilung des Abendmahles
und zwar theilt der Heiland selbst, wie das die Stickerei ver-
anschaulicht, auf dem einen Aermel den knieenden Jüngern die
Eucharistie aus unter der Gestalt des Brodes und auf dem andern
Gewandtheile in der Gestalt des Weines. Auf diese Weise hat die
grieschisehe Kunst, übereinstimmend mit dem Dogma der La-
teiner, sinnig und treffend in Nadelmalerei zur Anschauung den
Spruch gebracht: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt,
der hat das ewige Leben." Diese vielen Figuren und Darstel-
lungen sind sämmtlich in Plattstich in feiner Haarseide gestickt
auf einen dunkelvioletten purpurfarbenen Seidenstoff ohne Dessins.
Sämmtliche Figuren selbst zeigen eine edele Composition und
Zeichnung und leiden nicht an der starren Monotonie und jener
rigorösen und ascetischen Steifheit, wie man sie sonst wohl an
byzantinischen figürlichen Darstellungen zu finden gewohnt ist.
Alle übrigen Laubornamente und Umrandungen sind in gewun-
denen Goldfäden gestickt; desgleichen auch die vielen Kreuze
von Kreisen umgeben, die als Ornamente den übrigen Grund-
stoff ausfüllen. Wir nehmen keinen Anstand, dieses Gewand,
das auch dem phantastischen römischen Volkstribun Cola de
Rienzö im Jahre 13471) zu seinen anmaasslichen Kaiser-Auf-
zügen hat dienen müssen, unstreitig zu dem Vortrefflichsten ge-
zählt werden kann, was die langgeübten byzantinischen Bild-
sticker auf dem Gebiete dieser altkirchlichen Kunst hervor-
Vita di Cola di
T. III.
Rienzo,
Cap. XXL, bei
Muratori
antiquitat.
Italic. med. aev.