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glücklichen Lage befanden, in den grössern Schatzkammern der
meisten Kathedralen des westlichen und südlichen Europais noch eine
Menge solcher mit Thierfigurationen gestickten liturgischen Gewan-
der ausfindig zu machen, wogegen der grosse Bernhard in seiner asce-
tischen Strenge anzueifern sich verpflichtet erachtete. 1) Um nicht zu
weitläufig zu werden, beschränken wir uns hier darauf, bloss einige der
hervorragendsten liturgischen Gewänder namentlich anzuführen, wie
sie aus dieser fortgeschrittenen Epoche der Stickerei, aus dem
XII. Jahrhundert herstammend, in einigen grössern Sacristeien bis
heute noch sich erhalten haben. In erster Reihe nennen wir zwei
kostbare Dalmatiken, aus einem schweren rothen Seidenköper an-
gefertigt, im Schatze des Domes von Halberstadt. Dieselben sind
äusserst weit und faltenreich gehalten und reichen fast bis zu
dem Knöchel herunter. Auch die Aermel, geschlossen und ohne
Oeftnung unter dem Arme, sind sehr weit und bedecken den
ganzen Arm fast bis zur Hand. Die fortlaufenden Motive in die-
sen beiden Tunicellen zu Halberstadt bilden in Gold gestickte,
sich an einander fortsetzende Kreise, in welchen ebenfalls in Gold
gestickt die Figuren von Drachen, Löwen, Adlern und andern
symbolischen Thieren, ornamental gehalten, zur Darstellung ge-
bracht sind. Es hat uns scheinen wollen, als ob diese beiden
reichgestickten Diakonengewänder, die eine als "tunicella" und die
andere als "dalmatica" unter der "casula" des Bischofes ihre An-
legung fanden, wenn er an höhern Festen als Pontifex celebrirte.
Auch befindet sich in dem ebengedachten "vestiarium" zu Halber-
stadt ein kostbares Messgewand in schwerer blauer Seide, das in
seinem ganzen Grundstoffe von grössern umfassenden Medaillons
durchzogen, in Gold gestickte stylisirte Adler zeigt. die eine mehr
heraldische Auffassung und Ornamentation verrathen. Auch ander-
wärts fanden wir an Messgewändern vielfach diese auf Seiden-
stoffen in Gold gesticktem Thierbildungen, wie sie vollkommen
analog in grösster Abwechselung an den scenerirten Gold- und
Seidenstoffen des XII. Jahrhunderts, von Kreisen und Vielecken
umringt, als Dessins in schwere Seidenstoffe gewebt, vielfach
variirentl vorkommen. Diese Thierformationen, meistens symbo-
lischer Bedeutung, wie sie als gestickte Dessins hier gedacht
werden, haben wir ihrer Bedeutung und Form nach naher be-
schrieben in der ersten Abtheilung dieses Werkes. 2) Um hier
nicht dasselbe zu wiederholen, verweisen wir darauf und fügen
K
Krauser, der christliche Kirchenbau.
I. Lieferung Seite 12, 13 und 14.
Vgl.
Vgl.
Seite
174.