186
aber noch im XII. Jahrhundert in der Kirche Gebrauch, den
untern Saum der reichern Pontifical-Alben, die heute unbegreif-
licher Weise ohne Noth geschwächt und ihrem Zwecke wider-
sprechend, mit einem leichten Spitzengewebe, oft von modernem,
unkirchlichem Aussehen, "garnirt" werden, mit reich gestickten,
schweren Goldsäumen, in einer Weise würdig und kunstgerecht
zu umgeben, dass durch die natürliche Schwere des untern
Saumes (lymbus, praetexta) die Albe nach unten hin den rech-
ten Fall hatte und durch den breiten aufgenähten Saum mehr
geschützt war. Aeltere Schatzverzeichnisse führen uns, wie wir
in einer folgenden Lieferung zeigen werden, eine Menge solcher
an den Säumen und den Ausmündungen der Aermel (cum ma-
nicis auriphrygiatis) kunstreich mit Stickereien eingefasste Um-
randungen an, die in dieser Epoche der Albe zum auszeichnen-
den Schmucke gereichten. 1) Bis zur Zeit der Säcularisation be-
wahrte noch die Canonicatkirche des heil. Andreas bei Freising
eine solche durch reiche Stickereien kostbar ausgestattete Albe,
die in ihrer Art als ein besonders hervorragendes Kunstwerk
der Nadelwirkerei, Wahrscheinlich aus dem XI. Jahrhundert, als
Geschenk vom Bischof Ellenhart (1- 1078) herrührend, ange-
sehen werden konnte. 2) Auch das namictus", das heute gewöhn-
lich den Namen vhumerale" trägt, war ehemals, da es noch in
WVeise eines Heimes über das Haupt ausgebreitet, und erst nach
Anlegung des Messgewandes heruntergeschoben wurde, so dass
es wie ein reich gestickter Kragen den Ausschnitt des Mess-
gewandes am Halse verdeckte, mit einer schmalen, mehr oder
weniger reich ausgeführten Stickerei (parura, plaga) versehen,
die mit der gesticktem Ornamentation an der Alba correspondirte.
Deswegen wurde auch dieses Schultertuch, das mit einer auf-
genähten kunstreichen Nadelarbeit nach Art der gestickten "pa-
rura" am Saume der Alba analog ausgestattet War, als inte-
grirender Theil, zu der Albe gehörend, betrachtet. Gegen Schluss
des XI. Jahrhunderts erscheint auch die pluviale, die, wie es
auch ihr Name besagt, in älterer Zeit mehr als cappa bei den
Sängern und niedern Kirchenbediensteten im Gebrauche "war, als
Vesperalgewand bei der höhern Geistlichkeit, und ist es hier der
In dem ehemaligen Benedictinessen-Stifte zu Göss in Steiermark bewunder-
ten wir noch eine solche ältere Albe mit einem breiten mit Goldszickereien
verhrämten Saume, die einzige Albe, die uns in dieser reichen Ausstattung
bei ausgedehnten Nachforschungen zu Gesicht gekommen ist.
Vgl. hierzu Professor Dr. Sighart: "Die mittelalterliche Kunst in der Erz-
diücese München-Freising." Seite 238.