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lichen zu helfen. Besonders war es in reichern grössern Abtei-
kirchen, so wie in bischöflichen Kathedralen vorzugsweise der
Pontifical-Ornat des Bischofes und Abtes, den die Stickkunst
auf's reichste auszustatten in jeder Weise bemüht war. Nament-
lieh boten die Aurifrisien des Messgewandes, die im XI. und
XII. Jahrhundert die Form des Palliums der Erzbischöfe imi-
tirend, in Weise eines gabelförmig über die Schultern anstei-
genden Kreuzes das Messgewand auf beiden Seiten als Orna-
mente belebten, eine passende Gelegenheit, hier die Kunst des
Stickens in reichster Fülle sich entfalten zu lassen. Und weil
die Stickerei sich nicht immer im Stande erachtete, diese schma-
len, schräg ansteigenden Stäbe (aurifrisia, auriphrygia, franz.
orfroies) an reichern Festtagsgevsrändern würdig und reich genug
auszustatten, so verbündete sie sich zuweilen mit dem befreun-
deten Goldarbeiter, der im kostbaren Material in kleinern, aus
Silber oder Gold getriebenen Ornamenten das Fehlende der
Stickerei zu ergänzen suchte. S0 besitzt die Sacristei des Do-
mes zu IIalberstadt aus dem XII. Jahrhundert noch einige
Messgewänder, an welchen die Stickerei mit der Goldschmiedekunst
gewetteifert haben, um die Form eines schräg über die Schulter
ansteigenden Gabelkrerlzes auf's kunstreichste auszustatten. Es
würde uns ein Leichtes sein, eine Menge älterer Messgewän-
der namhaft zu machen, die, aus dem Schlusse des XI. und dem
Beginne des XII. Jahrhunderts stammend, sammtlich die Form
der "campanula", ohne allen Einschnitt, und das oben bezeich-
nete Ornament in höchst kunstreicher Stickerei darbieten. Die-
sen Nachweis für eine geeignete Stelle in einer spätern Liefe-
rung uns vorbehaltend, fahren wir hier in der einfachen Auf-
zählung fort, welche liturgische Gewänder bereits in dieser frühen
Kunstepoche durch die Stickkunst ihre ornamentale Ausstattung
fanden. Vor. allen PontiHcal-Gewändern war es um diese Zeit
die bischöfliche wmitra", welcher die Stickkunst ihre besondere
Aufmerksamkeit zuwandte. Man beschränkte sich nicht nur darauf,
den ornamentalen Bandstreifen 1), "cireulus", der als untere
Randeinfassung der Miter das Haupt des Infulirten nmgab, durch
die Stickkunst auszuschmücken und zugleich auch den nach oben
hin vertical ansteigenden Stab, "titulus", sondern man war an
reichern bischöflichen Infulen auch darauf bedacht, sogar die
freien Felder der bischöflichen Inful auf beiden Seiten der drei-
eckigen Erhebung (cornua) oft durch eine Menge von ein-
Caeremoniale
Gregorii
J ahrh.)