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Opfer am Kreuze auf eine unblutige Weise täglich in der h.
Messe erneuern sollten. Wie hatte auch der Altar und seine
Diener, da die Kirche im Innern und im Acussern durch die
Beihülfc der religiösen Kunst ihr Fcierklcid anzulegen begonnen
hatte, des nöthigen Schmuckes entbehren können, da der fromme
Sinn der Gläubigen und die opfer-willige Grossmuth der Bi-
schöfe und Fürsten, zumal in dieser glaubenseifrigen Zeit stets da-
rauf Bedacht nahm, die Opferstätte und ihre nächste Umgebung auf
das würdevollste und reichste auszustatten? Die ältern Schatz-
verzeichnisse, die wir in einer spittern Abtheilung ausführlicher
mitzutheilen uns vorbehalten, die Sterberegister (obituaria) der
altern Kirchen und die testamentarischen Bestimmungen einzelner
geistlichen und weltlichen Fürsten jener Zeiten liefern uns deut-
liche Belege, wie sehr die Goldschmiede und Goldsticker des XI.
Jahrhunderts bestrebt waren, den fortgeschrittenen künstlerischen
Anforderungen und den erhöheten Bedarf der Kirche hinsichtlich
kunstreieher Gefässe und Ornate nachzukommen. Vornehmlich
bot die Form des Altars, 1) wie er noch in der Basilika des XI.
und auch des XII. Jahrhunderts bestand, den frommen Sticke-
rinnen die gewünschte Gelegenheit, hier ihr schönes Kunstgewerk
in grossartigstem Maassstabe entfalten zu können. Besonders war
es die unter dem Ciborium freistehende Altar-Mensa, die nach
vier Seiten hin, entweder durch die Kunst des Goldschmiedes oder
durch die Kunstfertigkeit geübter Bildsticker in figurenreichen
Darstellungen einen erhebenden und würdigen Schmuck erhielten.
Die bekannte sPalla-dbro" zu St. Marcus in Venedig, die noch
reichern goldenen Altarbekleidungen zu St. Ambrogio in Mailand,
desgleichen die kostbaren Schmelzwerke der Altarbekleidungen zu
Kloster-Neuburg und der Kirche zu Komburg in Schwaben
führen wir im Vorbeigehen als Belege an, wie sehr es sich die
"aurifabri" jener Tage angelegen sein liessen, durch die Geschick-
lichkeit ihrer Hände und durch den Glanz der edelsten Metalle
die nvestimenta" oder „palla altaris" auf das prachtvollste auszu-
statten. Leider sind aus dieser fernliegenden Epoche unseres
Wissens keine reichern Kunstdenkmale uns überkommen, die
uns davon genauere Kunde gäben, wie die Stiekkunst des XI.
Jahrhunderts sehr oft in Verbindung mit der Goldschmiedekunst
es verstanden hat, die hervorragenden Räume der Altar-Mensa
Vgl. hierüber die gediegene Sfhriftr
christlichen Altars, von Fr. Lalb und
Stuttgart 1857.
Studien über die
Dr. Jos. Schwarz,
Geschichte
Seite 20
des
22.