Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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bildung, wie man sie an den indischen Götzenbildern und Ge- 
staltungen antrifft, welche der Lehre des Zoroaster und der 
indischen Götterlehre angehören. Ücber dem aufgesperrtcn Rachen 
der beiden Drachenköpfe gewahrt man, aus dem Laubwerk sich 
entwickelnd, zwei Rachen von andern Thiergestalten, die eine 
menschliche Figur schon zur einen Hälfte verschlungen haben. 
Ob diesen mysteriösen Darstellungen eine tiefere Symbolik und 
welche beizumessen sei, wagen wir vorläufig nicht zu bestim- 
men. Uns hat es geschienen, als 0b der Kampf des Menschen 
mit dem bösen, niedern Prineip hier veranschaulicht werde. In der 
einen Darstellung unterliegt der Mensch in dem Kampfe gegen 
die Sünde und wird ein Opfer seiner bösen Leidenschaft; in 
dem obern Theile aber bezwingt der Mensch das Böse und be- 
herrscht es als Sieger. Da noch lange Zeit vergehen dürfte, ehe 
das schwierige Capitel der mittelalterlichen Thiersymbolik gehörig 
erforscht und aufgeklärt ist, 1) so würde es uns nur erwünscht 
sein können, wenn eine mehr begründete Deutung der in Rede 
stehenden symbolischen Darstellungen von competenter Seite 
geliefert würde. Für unsern vorliegenden Zweck ist zunächst 
die technische Ausführung von grösserm Belange, als die Deu- 
tung der originellen Figurationen. Damit nämlich der unter- 
legte leichte Scidenstoff ohne Dessins nicht durch den scharfen 
durehgezogenen Gold- und Silberdraht verletzt und auf die 
Dauer durchschnitten würde, hat der vorsichtige Sticker, der 
zugleich auch sein reiches Goldmaterial schonen wollte, eine 
Technik des Stiekens einzuhalten gesucht, wodurch die zarten 
Metallfäden theils aus Silber, theils in starker Vergoldung, ohne 
durchzuziehen auf der Oberfläche des rothen Seidenstoffes be- 
festigt wurden. Er hat seine biegsamen Goldfaden, wie auch die 
Zeichnung andeutet, immerfort von der einen Seite nach der andern 
umgebogen, sie dicht nebeneinander gefügt, und sie auf beiden Seiten, 
da WO sie nämlich umgebogen sind, mit einem zarten Seidenfaden in 
einzelnen Stichen auf der rothseidenen Unterlage befestigt. Ehe 
aber der Sticker diese Ümbiegung und Befestigung der Gold- 
faden jedesmal an den äussern Rändern vornehmen konnte, 
Ein Anfang zur wissenschaftlichen Begründung der Thiersymholik und ihrer 
moralischen Nutzanwendung ist dadurch eingeleitet, dass in letzter Zeit ältere 
Physiologen, wie sie sich noch in Klosterbibliotheken befinden, herausgegeben 
und mit erklärenden Noten begleitet worden sind. Wir verweisen hier im Vor- 
beigehen auf den sehr brauchbaren Physiologus des XI. Jahrhunderts, her- 
ausgegeben und erläutert von Dr. G. Heidcr, mit 5 Tafeln. Wien 1851, in 
der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
	        
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