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Ein drittes dieser Prachtgewänder, das in jüngster Zeit von
geübter Meisterhand 1) mit grösster Sachkenntniss und Sorgfalt
copirt worden ist, wurde ursprünglich offenbar als reiches kai-
serliches Oberkleid (pallium, palludamentum imperiale) in Form
eines Mantels getragen. Als dieses kostbare Stück durch Schen-
kung zu den Schätzen des Bambergcr Domes hinzugefügt wurde,
hat man kirchlicher Seite ein weites faltenreiches Messgewand
in der alten Form der „casula oder campanula" daraus gestaltet.
Durch häufigen Gebrauch mochte im XV. Jahrhundert die zarte
seidene Unterlage, ein dunkelvioletter byzantinischer Kaiserpur-
pur mit ganz kleinen Dessins, sehr schadhaft geworden sein, so
dass man es leider unternahm, sämmtliche Goldstickereien aus-
zuschneiden und auf einen schweren dunkelblauen Damast mit
gothischen Mustern wieder neu aufzuheften. Bei dieser un-
glücklichen Uebertragung der alten Goldstiekereien auf die neue
Unterlage ist der Primitivität des Gewandes ein grosser Eintrag
geschehen und sind viele Stickereien dadurch unkenntlich ge-
macht worden. Die Stickerei bildet, sich über den ganzen Man-
tel gleichmässig verbreitend, ein zusammenhängendes netzförmi-
ges Ganze, von vierundvierzig grössern Kreisen, die Wieder
durch kleinere kreisförmige Verschlingungen gegenseitig in Verbin-
dung stchen. 2) Die vielen Zwischenräume (vgl. Taf. IV), die durch
die Verbindung mehrerer solcher Kreise entstehen, sind durch zier-
liche ornamentale Goldstickereien, Pflanzen-Kreuze bildend, ausge-
füllt. Die Kreise selbst zeigen, jedcr für sich, je eine in Gold gestickte
Seene, die der h. Schrift entlehnt ist. Um diese Darstellung
herum zieht sich in Kreisform ein kurzer Text, aus der h.
Der General-Director der königl. Museen zu Berlin, Herr Gelleimßfatb Dr.
von Olfers, der schon längere Jahre der Stickerei und der Weberei des
Mittelalters ein warmes Interesse zuwendet, hat das Verdienst, auf diesen,
seither wenig beachteten Schatz zu Bamberg für die Stickkunst desXI Jahr-
hunderts zuerst hingewiesen zu haben, und durch die Herren Kallenbaeh
und Schmidt aus Bamberg, bekennt durch ihre artistisch-literarischon Leistun-
gen, mehrere prachtvolle Copien von diesen merkwürdigen Gewändern für
das künigl Museum zu Berlin aufnehmen zu lassen. Durch die entgegen-
kommenle Freundlichkeit des Herrn von Olfers sind wir in Besitz der Co.
pie des einen Mantels gelangt und wurde es uns dadurch möglich gemacht,
die auf Taf. IV. theilweise gegebene Abbildung mittheilen zu können.
Die Formirung solcher zusammenhängenden Kreise war im X. und XL
Jahrhundert ein oft angewandtes beliebtes Motiv, um kleinere Scenerieen
die zusammenhängend eine Geschichte darstellten, als Medaillen einzulassen,
Solche sich aneinandersehliessende Kreise finden sich in Geweben und
Stickereien aus diesen Zeiten sehr oft vor. Anastasius Bibliothecarius nennt
sie „pa1lia cum orbiculis" oder auch „pallia scutelata, rotata".