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Entivickelungsganges, den die Malerei und Stickerei im Dienste
der Kirche bereits im XI. Jahrhundert genommen hat. Das
Vorfinden desselben gibt uns nämlich Aufschluss über die Art
und XVeise, wie man an Höfen die Stickerei zu damaliger Zeit
betrieb und welche andere Künste das Aufkommen und die
Durchführung von geschichtlichen grüssern Stickereien voraus-
setzte. Ausser der Kunst des Schönfarbens, des Webens und
der künstlichen Präparation des Goldfadens setzte eine Stickerei,
wie wir sie am ungarischen Krönungsmantel oben nachwiesen und
wie sie uns auch bei den reich gesticktem Kaiserniänteln im
Dome von Bamberg aus derselben Epoche entgegentritt, bereits
eine höhere compositorische und technische Entwickelung auf
dem Gebiete der Malerei voraus. Es lässt sich nicht anneh-
men, dass bei solchen grössern und reichern Stickereien von der
Stickerin auch Erfindung und Entwurf der Zeichnung herrühre.
Die Coinposition und Anordnung der figuralen Darstellungen
auf dem ungarischen Krönungsmantel, noch mehr aber der künst-
lerische Entwurf zu den gestiekten Darstellungen auf den Kai-
sermänteln zu Bamberg, zu deren Beschreibung wir jetzt über-
gehen werden, setzt nicht nur eine Fülle der Phantasie, eine
Gewandtheit in den Formen, sondern auch in den meisten
Fällen eine höhere theologisch-wissenschaftliche Bildung voraus,
wie man sie von den Stickerinnen damaliger Zeit, und wenn
sie auch die Begabung einer Hroswitha gehabt hätten, in ihrer
Vereinigung nicht füglieh erwarten darf. W ie auf dein (drebiete
der figuralen Holzsculpturen spätere Bildschnitzer hinsichtlich
der Composition sich oft den Kunstwerken hervorragender Ma-
1er ihrer Zeit ängstlich anschlossen, 1) wie die Malerbuden Ita-
liens bedeutend auf die Seidenweber ihrer Umgebung Einfluss
nahmen und der Weberei lange Zeit hindurch als rctournirende
Dessins kleinere Scenerieen aus der religiösen und profanen Ge-
schichte dictirtenß) wie ferner selbst der Metallgiesser, der Gold-
schmied in vielen Fällen an den Componißiell und SChaffßnden
mental kritisch strenge nachgewiesen werden würde. Da. sich eine solche
grosse Originalpause des ungarischen Krönungsmaxltels in unsern Händen
bereits befindet, so erübrigte noch, dass durch Vorsorge der k. k. Central-
Commission eine solche Pause auf dem Originale in Martinsberg von e
übter Hand aufgenommen würde. g
So haben nachweislich van Eik, Memling, Martin Schön, selbst der 5 äte
Dürer vieles in Malerei geschafen, was jüngere Bildschnitzer im ä re
Holze wiederzugeben wussten. arten
Vgl. I. Lieferung Seite 59-65.