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mantel, welcher so manche harte Erlebnisse bereits durch-
machte, sich in einer Weise erhalten hat, dass der darunter
befindliche zarte Seidenstofi durch die reiche Goldstickerei nicht
zerstört und durchschnitten worden ist. Was den erwähnten
seidenen Grundstoff betrifft, worauf als Unterlage die Königin
Gisela ihr dauerhaftes Kunstwerk ausgeführt hat, so führen wir
nur in Kürze an, dass derselbe heute eine violette Farbe trägt,
die hin und wieder in's dunkelgrüne spielt. Keinem Zweifel
unterliegt es, dass dieser Seidenstoff aus Byzanz bezogen wurde,
wie das auch die reihenweise geordneten Dessins in Form
von kleinen vierfach zusammengesetzten Herzbildungen zu erken-
nen geben, die man nur mit grosser Mühe an wenigen Stel-
len noch undeutlich wahrnehmen kann. '
Im Vorhergehenden haben wir an einer Stelle bemerkt, dass
der in klassischer Zeit häuüg vorkommende Ausdruck "toga"
oder "tunica picta" zuweilen nicht eine gestickte tunica oder
toga, sondern auch eine bemalte bezeichnen könne, und dass also
der Ausdruck in seiner ursprünglichen Bedeutung zuweilen zu
nehmen sei. Das oben angedeutete höchst merkwürdige zarte
Byssusgewand in der heutigen Benedictiner-Abtei Martinsberg
scheint uns den Beweis zu liefern, dass sich auch noch bis in's
XI. Jahrhundert die Sitte erhalten hatte, feinere gazeartige Sei-
den- und Byssusgewebe zu bemalen oder mit beweglichen Holz-
blöcken in Dessins farbig zu drucken. Alle jene Dessins, dem
alten und neuen Testament entlehnt, nebst den Inschriften, wie
wir sie als in Gold gestickt auf dem ungarischen Krönungs-
mantel oben weiter bezeichnet haben, finden sich auf dem äusserst
delicaten gelblichen Byssusstofl, einem Gewebe wie Seidengaze
oder Crepe de Chine, vollkommen identisch vor, und zwar von der
geschickten Hand, wie es uns scheint, eines byzantinischen Hof-
malers in durchdringenden leichten Farbenpigmenten so gemalt,
dass nach der Kehrseite ebenfalls deutlich die Figurationen
zum Vorschein treten. Wir betrachten dieses merkwürdige
Byssusgewand, das trotz seines hohen Alters und seines feinen
Gewebes sich noch ziemlich gut erhalten hat, Dank der ro-
then Taffetseide als Futterzeug und schützenden Unterlage, als
ein wichtiges Monument 1) zur Aufhellung des geschichtlichen
Die k. k- Central-Comrnission zur Erhaltung der Monumente, die seit der
kurzen Zeit ihres Bestehens, wie dies allgemein anerkannt wird, schon S0
Treffliches geleistet hat, würde der archäologischen Wissenschaft einen
grossen Dienst erweisen, wenn sie veranlasste, dass die völlige Identität
59T bemalten Byssuscasel in Marßinsberg mit dem ungarischen Krönungs-