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er noch der Inschrift gemäss eine nach vorne hin geschlossene
„casula" bildete, ehemals einen reichern Cyclus von Heiligen-
iiguren erkennen liess, die jetzt nicht mehr voriindlich, einer
rücksichtslos modiflcirenden Scheere zum Opfer gefallen sind_
Wann dieses entstellende Zurechtschneiden des altehrwürdigen
Messgewandes vorgekommen ist, lässt sich nicht genau bestimmen,
viel Weniger noch lässt es sich ermitteln, WO dieser nicht unwich-
tige Bruchtheil des Gewandes geblieben ist. Dass aber der
vordere Theil der Casel der Gewalt hat Weichen müssen, be-
zeugen deutlich die zur Hälfte durchgeschnittenen Figuren und
Ornamente, wie sie vorne an dem geradlinig herunter laufen-
den Rande in ihrer Verstümmelung ersichtlich sind. Auch der
heute nur lose in groben Stichen an dem Iirönungsmantel be-
festigte Kragen zeigt in seiner Form und Qrnamentationsweise
deutlich an, dass er ursprünglich gehört habe als "parura", d.
h. als kunstreicher ornamentaler Besatz eines Humeralels (amic-
tus), wie es im Mittelalter an keinem reichen Messgewande fehlte.
Für diejenigen, die dem stufenweisen Entwickclungsgange der
mittelalterlichen Stickerei einige Aufmerksamkeit zuwenden, mag
es von Interesse sein, hier zu vernehmen, wie der technische
Theil an dem vorliegenden Prachtgewande behandelt und durch-
geführt worden ist. Der Goldfaden nämlich, mit dem die vie-
len Figuren gestickt sind, ist äusserst zart und biegsam. Es
scheint uns, dass ein halbgedrehter seidener Faden, in dunkeler
Purpurfarbe, als Grundlage hierbei gedient hat, um welchen
ein- Goldlamen von dünner, aber solider Prägung gedreht wor-
den ist. Damit nun die zarte Unterlage, ein feingewebter ge-
musterter Seidenstoii", durch das Durchziehen des Goldfadens nicht
verletzt wurde oder riss, zumal unter diesem Seidenstoffe keine
gröbere Unterlage von Leinen sich befand, wodurch der durch-
gezogene Goldfaden Halt gewonnen hätte, so zog man es
vor, die Goldfäden beim Sticken auf dem Oberstoffe in einer
Weise dicht neben einander zu legen, dass man durch klei-
nere Befestigungsstiche in zarter Seide stellenweise die neben
einander gefügten Goldfäden auf der Unterlage zu befestigen
suchte. Daher zeigen sich auch auf der Rückseite keine
durchgezogenen Goldfäden. Diese Technik des Stickens in
Gold ist eine sehr alte und im X. und XI. Jahrhundert
sehr gebräuchliche Weise. Der eben angedeuteten sehr pmk-
tischen Stickerei, bei der man zugleich auch ökonomisch mit
dem reichen Goldfaden umgehen konnte, ist es zuzuschreiben,
dass bis auf den heutigen Tag der ungarische Krönungs-