154
reien und Webereien zu liturgischen Zwecken, worin sie sich
besonders auszeichnete, oblag. 1) Nicht nur in der berühmten
Benedictiner-Abtei von St. Gallen, wie oben angedeutet wurde,
sondern auch in den grössern Benedictiner-Abteien am Rheine
und an der Donau war die Kunst des Stickens und des live-
bens für kirchliche Ornate schon um diese Zeit einheimisch.
Um nur eine der vielen Angaben, die wir hierüber anführen
könnten, hier beizubringen, sei bemerkt, dass in der altberühm-
ten Abtei zu St. Emmeran in Regensburg um diese Zeit sogar
Purpurstoffe angefertigt wurden, die mit dem Safte der Con-
chylie gefärbt waren, und dass hier Engilmar, ein Mönch dieses
Klosters, mit Anfertigung von kunstreichen Webereien und Stik-
kereien in Gold, Silber und Scharlach zu liturgischen Ornaten
mit besonderer Nleisterschaft beschäftigt warß) Fragen wir nach
den Namen der hervorragendsten Sticker und Stickerinnen jener
fernliegenden Kunstepoche, die uns eben zur Besprechung vorliegt,
so begegnet uns auf dem Gebiete der Stickerei dasselbe, was
wir bei Erforschung der Monumente der Architektur, der Sculp-
tur, der mittelalterlichen Malerei und Goldschmiedekunst allent-
halben antreffen. lm Mittelalter sprechen nur Thaten, keine Na-
men; dem bescheidenen alten Meister war es darum zu thun,
Gott, Seine Heiligen und die Kirche durch seine frommen Kunst-
werke zu verherrlichen; sein Name, seine Person war dabei
vollständig Nebensache. 3) Ausser den wenigen Namen, die wir
im Vorhergehenden von vornehmen Stickerinnen angeführt haben,
sind bis auf unsere Zeiten nur noch sehr wenige Namen be-
sonders hervorragender Meisterinnen in den Künsten der freien
Nadelarbeit auf uns gekommen. WVir nennen hier vornehmlich
einige Künstlerinnen, die in der angeregten Periode ihrer Arbeiten
wegen sich besonders auszeichneten. Die eine hiess Alwid, welche
zu Ashley in der Grafschaft Buckingham eine Besitzung hatte.
Dieser ausgezeichneten Stickerin übertrug der Graf Gottric für die
Zeit, als er Graf war, zur Nutzniessung eine Strecke Landes auf
einer Domaine des Königs Eduard des Bekenners, unter der
Hist. Eliens. lih. II. cap. XXX. .
Künstler und Kunstwerke der Stadt Regensburg von A.Niedermayer. Lands-
hut 1857.
Mit Bezug auf das eben Gesagte sei hier in Kürze bemerkt, dass uns un-
längst ein prachtvoll geschriebenes Miniaturwerk zu Gesicht gekommen ist,
dessen Schlussseite folgende, von vielen Künstlern unserer Zeit wohl zu be-
herzlgende Angabe enthielt: "Hie liber scriptus et linitus ast ad lßudßm
Dei omnipotentis per pauperem cruciferurn (Kreuzbruder) cujlls Ilßmen SCfi-
batur in libro vitae."