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reiche Stickereien, wie sie für den Altargebrauch nöthig waren,
in der angegebenen frühen Kunstepoche zu suchen seien.
In der grossen Wüste, die durch das feindliche Anprallen
verschiedenartiger in Strömung begriffener Völkerschaften in jenen
aufgeregten Zeiten entstanden war, und die für das höhere geistige
Culturleben der jugendlich auflebenden Völker im Abendlande
noch lange nach dem Sturze des römischen Reiches bis zu den
Zeiten der Karolinger lähmend wirkte, bildeten die durch den
heil. Benedict zahlreich gegründeten Klöster diesseit und jenseit
der Berge friedliche und grünende Oasen, wo alles Können und
Wissen Erhaltung, Pflege und Entwickelung erhielt. Gleich-
wie in diesen geräusvhlosen Klostermauern die Literatur, Musik,
Sculptur, Malerei und Goldschmiedekunst von schlichten Mönchen
im Dienste der Kirche fortdauernd geübt wurde und ihre höhere
Wreihe empfing, so hatten auch, namentlich in der Zurückgezogenheit
der weiblichen Klöster die Gesetze und Regeln der höhern Stick-
kunst, wie sie sich vom alten Rom und Byzanz traditionell
vererbt hatten, ein erwünschtes friedliches Asyl gefunden. So
kann man nachweisen, dass grössere bischöfliche Kirchen um
diese Zeit oft ihren Bedarf an reichern kirchlichen Stickereien
für Ausstattung von Mitten, Stolen, Chirotheken und Sandalen
in naheliegenden Klöstern anfertigen liessen. Ja, in vielen Klü-
stern scheint sogar um das VI. Jahrhundert die Stickerei eine
solche Ausdehnung gewonnen zu haben, dass man sich nicht
allein darauf beschränkte, den Reichthurn in Stickereien der kirch-
lichen Gewänder zu heben, sondern man ging sogar dazu über,
Profangeivänder in Klöstern zu sticken. Deswegen finden wir
auch in der Klosterregel des heil. Caesarius für Jungfrauen, um
dem ebengedachten Missbrauche vorzubeugen, folgende heilsame
Vorschrift: „Plumaria et acupictura et omnie polymitum vel
stragula sive ornaturae nunquam in monasterio fiant. Ipsa etiam
ornamenta in oratoriis simplicia esse debent; nunquam plumata,
holoserica, numquam bombycina. . . Acupictura nunquam nisi in
mappulis aut facitergiis in quibus abbatissa jusserit, liat. f")
Auch Donatus (der auch zu Ende des VI. Jahrhunderts lebte)
hat diese Vorschrift des heil. Caesarius, Bischofs von Arles, in
seinen ähnlichen Klosterregeln mit aufgenommen. Dass im VII.
Jahrhundert die Stickkunst, und zwar nicht nur für Ausstattung
der kirchlichen Gewänder, sondern auch der profanen Gewänder
bereits grössere Ausdehnung namentlich in England gewonnen hatte,
L
monasterii
i) Regula
Caesariae