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detcn Capitälen ruhen, die vollkommen analog gehalten sind mit
der Bildung der dazu gehörigen Sockel. Zwischen diesen Bogen
auf den einzelnen Säulchen erheben sich kleine thurmartige Auf-
bauten, die fast in Weise der Minarets nach oben sich verjüngen.
Sämmtliche figurale Darstellungen so wie auch das architekto-
nische Beiwerk war ehemals in Goldfaden gestickt, deren Ober-
häutchen jetzt durch Frietion verschwunden sind, so dass ein
dichter gelbseidener Faden als Unterlage dieses zarten Gßldlalllell
heute überall zum VOYSChCiH tritt. Nur die Inrarnationstheile
sind in gelbliehweisser Seide ausgeführt; die Figuren selbst sind
in ziemlich roher WVeise auf einem zarten ungemusterten Pur-
purstoff gestickt, der sich seines dunkelvioletten Farbetons we-
gen als „kaiserlicher Purpur" kenntlich macht. Als Unterlage für
seine Stickerei hat der mittelalterliche „phrygio" einen dichten
Leinenstoff gewählt, damit die eingestickten schweren Goldfäden eine
geeignete Hinterlage fänden. Was nun die Technik der Stickerei
betrifft, so kann angegeben werden, dass das Ganze im Platt-
stich ausgeführt ist und sich als einen ziemlich regelmässigen
horizontal laufenden Flammenstich zu erkennen gibt. Dürfte
man es wagen, die Anfertigung dieser Stickerei einem bestimm-
ten Jahrhundert, einem bestimmten Lande zuzueignen? Da uns
in grösserer Zahl, wie oben angeführt, bestimmte Anhaltspunkte
fehlen, wodurch sich die Stickerei vor und nach der karolingi-
sehen Kunstepoche charakterisiren liesse, so wollen wir uns einer
bestimmten Angabe hinsichtlich der Feststellung der Chronologie
vorläufig enthalten und in Kürze die Beweisgründe beizubringen
suchen, die der oben ausgesprochenen Ansieht, das vorliegende
Kunstwerk sei nämlich vor dem X. Jahrhundert entstanden, das
WVort zu reden scheinen. Wie ein Blick auf die beifolgende Bei-
lage zu erkennen gibt, leidet sowohl die Composition als auch
die Technik der Ausführung an einer auffallenden Unvollkom-
menheit des Styles, wie er mehr der frühromanischen Epoche
vor dem X. Jahrhundert, als nach dem X. Jahrhundert eigen-
thümlich ist. Auch die schwerfällige unentwiekelte Architektur
mit ihren breiten Rundbogen und ihrer Armuth an Details scheint
die eben ausgesprochene Ansicht bewahrheiten zu wollen. Die
Technik selbst ist ziemlich unbeholfen und sind die Conturen der
Figuren als gerade Linien parallel nebeneinander fortlaufend da-
durch erzielt, dass der Plattstich hier regelmässig absetzt. Auch
hat der ganze Habitus des uns vorliegenden Originales hinsichtlich
seiner Composition und Ausführung merkwürdige Analogien mit der
kunstreich gestickten heute noch erhaltenen „easula", die bei den