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Scenerieen, dem Anastasius Bibliotheearius an vielen Stellen seiner
„Vita Romanorum pontifieum" zufolge, in kunstvoller Technik zur
Darstellung gebracht, nicht nur die Hauptmomente aus dem Le-
ben und dem Leiden unseres Heilandes, sondern auch aus dem
Leben und den Thaten von heil. Martyrern, Bekennern und J ung-
frauen. Auch sogar die Hauptbegebenheiten aus der Geschichte
des Alten Tcstamentes in zierlichen Nadelwirkereien von Gold
mit Perlen eingefasst, gehörten an kirchlichen Ornamenten der
vorkarolingisehen Zeit nicht zur Seltenheit. 1) WVenn auch die
Kunst des lrVebens durch griechischen Kunstfieiss und Geschick-
lichkeit bereits im V. und VI. Jahrhundert eine solche Vervoll-
kommnung erfahren hatte, dass man schon in dieser Zeit anfing,
auch in der Weberei iigürlich scenerirte Darstellungen in Gold
und einzelnen Farbentönen zu erzielen, T) so geht doch aus der
detaillirten Beschreibung bei Anastasius, der mit bekannter Ge-
nauigkeit nicht nur die dargestellten eingewirkten Gegenstände
aufzuzählen nicht unterlässt, sondern zuweilen auch in technischer
Beziehung bemerkenswerthe Winke gibt, zur Genüge hervor, dass
die meisten scenerirten Darstellungen an den kirchlichen Pracht:
gewändern zumal des VI. und VII. Jahrhunderts nicht ein „opus
textile", sondern vorzugsweise ein „opus acu pictum" waren, Eine
solche Annahme scheint uns mit Recht hergeleitet werden zu kün-
nen aus dem Vorkommen so vieler eingewirkten Portraits hervor-
ragender Bischöfe, die entweder ihr Bild mit möglicher Natur-
wahrhcit in reichern Festornaten anbringen liessen oder das
ihrer Vorgänger. S0 erzählt uns ein alter Schriftsteller in der
Lebensgeschichte des heil. Maximianus, dass die Kirche des heil.
Stephanus in Ravenna in Stickereien auf den Vorhängen eines
Ciborien-Altares (tetravela, ävdvnj) das Portrait bewahrte des
25. Bischofes dieser Stadt, des heil. Victor, so wie auch das ge-
stickte Portrait seines Vorgängers, des heil. lNIaximianus, gestor-
ben im Jahre 552. Auf denselben Altarbehängen waren auch,
dem nämlichen Geschichtschreiber zufolge, gestickt ("aculis facta")
der Heiland, wie er die verschiedenen Wunderwerke verrichtet. 3)
Söroux-düägincourt. tome I. page Ö.
Vgl. unsere desfallsigcn Angaben in der I. Lieferung des vorliegenden
Werkes von S. 16-18.
"Jussit ipse endothim byssinam pretiosissimam, cui similem nunquam videre
potuimus, aculis factam, omnem Salvatoris nostri historiam continentem. In
sancto die Epiphaniac super alcarium Ursiauae eeclesiae ponitur, sed D011
totam eomplevit. Successor ipsius explevit unam partexn. Quis similem vi-
dere potuit? Non potest aliter aestimare ipsas imagines, aul: bestias, aut
volucres, quae ibi factae sunt, nisi quod in carne omnes vivae Silli- E5