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kleidungen obrigkeitlicher Personen, sondern auch bei reichen
Privatleuten häufig in Anwendung kam. S0 waren zweifelsohne
an den höhern kirchlichen Festen die Saume der Gewänder, deren
sich die ersten Christen bei der Feier des eucharistisehen Mahles
bedienten, mit gestickten Ornamenten besetzt, namentlich bot der
nach vorn offene Rand eines frühchristlichen faltenreichen Gewandes,
das man Hstola" oder „orarium" nannte, eine geeignete Stelle, um ge-
stickte Ornamente daselbst anzubringen. Diejenigen, die den merk-
würdigen Visionen der Catharina Emmerich einige Beachtung
schenken, verweisen wir hinsichtlich der Stickereien des apostolischen
Zeitalters auf die Gewänder 1) der Apostel, der drei Könige, der heil.
Jungfrau, die auf eine höchst eigenthümliche Weise nicht im Wider-
spruchc mit dem Costüm der damaligen Zeit beschrieben werden.
Das aber lässt sich mit Grund annehmen, dass die Stiekkunst an den
priesterlichen Gewändern der alten Kirche umfangreicher in Anwen-
dung gekommen ist seitjener Zeit, als mit Constantin d. Gr. das Chri-
stenthum zur Staatsreligion (iffentlich erklärt wurde und der Got-
tesdienst von jetzt ab feierlicher und mit grösserm Glanze began-
gen Werden durftß- Auch wurde gewiss mehr Sorgfalt auf die
decorative Ausstattung der Cultgewänder verwandt seit jener Zeit,
wo Amalarius Fortunatus zufolge Papst Stephan die Verordnung
erlassen hatte, dass die Priester und Leviten sich nicht der heili-
gen Gewänder bei dem gewöhnlichen täglichen profanen Gebrauche
bedienen durften. 2)
Es wurde uns zu weit führen, wenn wir hier in langer Reihe
namhaft machen wollten alle jene kunstreichen kirchlichen Sticke-
reien, die vom IV. Jahrhundert an bis zur Zeit der Karolinger von
einzelnen Papsten und von gebefreudigen byzantinischen Kaisern
grössern hervorragenden Kirchen Rom's und Italiens zum Ge-
schenke gemacht worden sind. Man vergleiche hierüber das vor-
treffliche Werk von Seroux-dügincourt. 3) Beim flüchtigen Durch-
lesen dieser Angaben wundert man sich über den figuralen und
ornarnentalen Rcichthum, den die Kunst der frühchristlichen Zeit
bei Ausstattung der priesterlichen Gewänder und der reichen sei-
denen Behänge und Wandbekleidungen durch die geschickte Hand
der „pbrygiones, brambaricarii" auf die manehfaltigste und gross-
artigste Weise anzubringen gewusst hatte. Hier waren in reichen
ä) Vgl. Brentano, Leben der heil. Jungfrau Maria, München 1852. Seite 343
) Amalarius Fortunatus, lib. II. cap. XVII. nstephanus natißne Romans e);
ateJhZ mit'm
ädiäno 310:! 53:1: 111 sacerdonbus, levxtxsque vesnbus sacratms m usu qm).
3) Säroux-afAgincourt, Histoire de Part pur les monuments, tomeI. pag 98 102