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Inventar der Schätze und Kostbarkeiten in Gold und Silber von
Philipp dem Guten von Burgund ebenfalls Erwähnung geschieht
eines Altarvorhanges, dessen reiche Stickereien von der Hand der
heil. Helena herrühren sollten. Die Stelle lautet nämlich: „Riche
et ancienne table d'autcl de brodeure, que on dit que la premiere
emperreriz chrestienne fist." 1)
Es wäre hier nun wohl am Orte, die Frage aufzuwerfen, in
welcher Art und WVeise und in welchem Umfange man in den
ersten Jahrhunderten der Christenheit die Stickerei zur Aus-
schmüekung der Cultgewänder in Anwendung gebracht habe?
Um diese interessante Frage eingehender beantworten zu können,
fehlen leider bei altern Autoren jegliche Angaben; am meisten
könnten die noch erhaltenen Monumente der frühchristlichen
Malerei, wie sie uns bewahrt sind in musivischen Darstellungen
in den Chorschlüssen der altern Basiliken der frühchristlichen Zeit,
so wie die vielen merkwürdigen gemalten ligürlichenDarstellungen
der Katakomben uns hierüber einige entferntere Aufschlüsse er-
theilenß) Wie wir das in einer spatern Lieferung ausführlicher
entwickeln werden, waren die Cultgewander, den gelehrten Ab-
handlungen des Cardinals Bona und andern Liturgikern zufolge,
noch nicht in einer Weise entwickelt, dass sie als ein besonderer
für sich abgeschlossener Cultornat betrachtet werden konnten,
sondern man bediente sich in jener Zeit der Verfolgung und
Kämpfe des apostolischen Zeitalters jener Gewänder zur Feier
der heiligen Geheimnisse, die sich durch besondere Reinlichkeit
und Feinheit der Stoffe von jenen Feier- und Ehrenkleidern un-
terschieden, wie sie bei Senatoren und Magistratspersonen im Ge-
brauche waren. 3) Dass einzelne besonders hervorragende Theile
diese: altern Cultgewänder der ersten christlichen Jahrhunderte
durch phrygische Arbeiten hin und wieder verziert und ausge-
schmückt waren, unterliegt keinem Zweifel, zumal, wie wir oben
gesehen haben, die Stickerei in der Caesarenzeit eine solche Höhe
der technischen Vollendung erreicht hatte und nicht nur bei den Be-
Voyez, les Duos de Bourgogne, II. part., torne II. page 243 N0. 4092.
Die trefllichen Original-Copien frühchristlieher Malereien, die Conservator
Ramboux auf seinen langen Reisen in Italien in den ältern Basiliken da-
selbst nach den merkwürdigsten musivischen Darstellungen angefertigt hat, geben
vielfachen Aufschluss, nicht nur wie die frühesten liturgischen Gewänder
beschaffen, sondern wie sie auch an einzelnen Theilen durch Stickereien
verziert waren. Diese reichhaltige, höchst lehrreiche Sammlung ist jetzt
Eigcnthum der Stadt Düsseldorf; ihre Benutzung scheint aber bis jetzt
leider eine sehr beschränkte geblieben zu sein.
Dieser Ansicht püichtet auch bei Baronius, Annal. tom. II.