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thum auch nicht in Farben bemalter Gewänder bedient habe,
Wollen wir im Vorbeigehen dahin bejahend beantworten, dass man
auch sogar in der Imperatorenzeit sich zu Bekleidungsstilcken
reicher Stoffe bediente, in welche mit vegetabilisehen Farben
Muster eingemalt waren. So lesen wir bei ältern Schriftstellern,
dass die Gallier es liebten, ihre Kleider zu bemalen. Bis in's
Mittelalter hinein pflegte man einfache Seidenstoffe in Taffet mit
Dessins durch Malereien in leichten Farben zu verzieren. Der
bei alten Schriftstellern so oft vorkommende Ausdruck „pieta"
kann also, wie aus Vorhergehendem zu ersehen ist, nicht nur auf
gestickte Qrnamente, sondern auch auf eingewebte Dessins, ja so-
gar, dem Letztgesagten zufolge, auch auf gemalte Muster in leich-
ten Seidenstoffen bezogen werden.
Eine andere nicht uninteressante Voruntersuchung bestände
darin, die Ausdrücke und Bezeichnungen festzustellen, wie man
im Alterthume und im Mittelalter die verschiedenartige Kunst-
weise benannt habe, die unsere Vorfahren zur Ausschmückung
der Cultgewänder mit so grossartigem Erfolge angewandt haben.
Die Könige Asiens und des fernen Ostens, die den Römern
.,barbari" Waren, erscheinen den altern Dichtern zufolge meistens
angethan mit reich gestickten Gewändern, und lässt es sich schon
daraus entnehmen, dass die Kunst des Stickens bereits im grauen
Alterthume bei den kleinasiatischen Völkern, den Babyloniern,
Persern, Indiern eine sehr geübte war. Und weil nun diese Kunst
des Stickens bei den prachtliebenden orientalischen Nationen, wo ja
auch die Seide gewonnen wurde, sehr im Schwunge war und von
dort her den Römern bekannt wurde, so benannte man alle kunst-
reiche Nadelarbeiten mit dem Gesammtausdrucke „opera barbarica,
vestes barbarieaetü?) Vorzüglich aber schrieb man einem Volke
Kleinasiens, den Phrygiern, und insbesondere deren Könige At-
talus die erste Erfindung zu, mit freier Hand auf gewebten Stoffen
kunstreiehe Nadelarbeiten auszuführen, und waren daher, weil
Unsere Sammlung weist aus dem XII. Jahrhundert mehrere solcher leich-
ten SeidenstoHe nach, die mit eingemalten remanisehen Dessins verziert sind;
auch Seidenatlas liebte man um diese Zeit mit gemalten Mustern zu ver-
zieren. Bereits im XIII. Jahrhundert, mehr aber noch im XIV. und
XV. führte die Vorliebe für Farben und Formen zu der Erfindung, vermit-
tels beweglieher geschnittener Holzformen auch Stoffe von Leinen mit farbi-
gen Mustern kunstreieh auszustatten, und werden wir nicht unterlassen, an
geeigneter Stelle solche mit kleinern Handpressen bedruckte Leinenstoffe, die
man in der Kirche oft als Futterzeuge (subduetura) benutzte, in Abbildung
mitzutheilen.
Aen. lib. XL, v. 769, 778.