CAPITEL
Geschichtlicher
Entwickelungsgang
der
Stickerei,
nament-
lieh
Zll
kirchlichen
llrnaten,
Mittelalter.
DIE
STICKKUNST
IN
DER
VORCIIRISTLICHEN ZEIT.
(KLASSISCHES
ZEITALTER.)
In dem vorhergehenden ersten Capitel ist, so weit es der enge
Raum und die Anlage des WVerkes gestattete, der Versuch ge-
macht worden, die Art und künstlerische Beschaffenheit gewebter
Zeuge, die im Mittelalter zu Cultzwecken angewandt wurden, des
Nähern zu beleuchten. Die vorliegende Abhandlung hat sich zu-
nächst zur Aufgabe gestellt, den Nachweis zu führen, mit wel-
chen technischen Mitteln man seit der frühchristlichen Zeit bis
Zum Ausgange des Mittelalters die Cultgewänder und Altar-
Ornate durch kunstreiche Nadelarbeiten zu heben und auszu-
Schmücken bedacht war, und wie überhaupt die Stickerei, als
eine lvielgeübte Kunst, selbstständig auf dem Boden der Kir-
che im Laufe der Jahrhunderte sich entwickelt und Bahn ge-
brochen hat.
Als Einleitung zu den folgenden geschichtlichen Notizen
über den Entwickelungsgang der höhern Stickkunst zu religiösen
Zwecken mag- es hier am Orte sein, einige kurze Vorbemerkun-
gen über Ursprung und Entstehung von kunstreiehen Nadel-
arbeiten vorauszusenden, wie sie, zu profanen Zwecken, im vor-
Christlichen Alterthulne bereits im Gebrauche waren. Jenem na-
türlichen, schon bei den ältesten gebildeten Völkern ersichtlichen Be-
streben, den monotonen leblosen Flachen durch Anbringung von
Figuratignen Leben und Ausdruck zu verschaffen, hat auch die
Stickerei Ursprung und Entwickelung zu verdanken. Schon im
grauen Alterthume unternahm man es, diesem Hange Folge lei-
Stend, den WVandi-lächen der Tempel und Wohnhäuser durch An-
Wendung von Malereien ihre traurige kalte Eintönigkeit zu be_
nehmen; dann ging man später dazu über, sogar den Fussbö-
Liturgische Gewänder. 9' 9