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Jahrhunderts so deutlich charakterisiren, davon kann sich Jeder
überzeugen , der die Beschaffenheit der reichen Gewebe der be-
zeichneten Epoche näher in Untersuchung zieht. Die Renaissance,
die gegen Mitte des XVI. Jahrhunderts sich schon vollständig
Bahn gebrochen hatte , verschmähte die getreue Darstellung des
Stofflichen, der Gewänder. Und da die neue Kunstweise weniger
religiös zu stimmen, sondern mehr den Sinnen zu schmeicheln, trach-
tete, so suchte die bildende Kunst von jetzt ab volle körperliche
Formen anatomisch richtig darzustellen, anstatt durch reich dessi-
nirte faltenreiche Gewänder den figurliehen Darstellungen, wie in
der vorhergehenden Periode, eine ernste kirchliche Weihe zu geben.
Hinsichtlich der vielen Wechselbeziehungen zwischen der mittel-
alterlichen Weberei und Stickerei einerseits und der Malerei und
Sculptur andererseits, auf die wir in der vorliegenden geschichtli-
chen Abhandlung über den stoiilichen Theil der liturgischen Ge-
wänder eben im Vorbeigehen noch schliesslich hingewiesen haben,
möchte es eine für die spätere Forschung nicht uninteressante Auf-
gabe sein, den geschichtlichen Entwickelungsgang der Weberei
kostbarer Seidenstolfe zu liturgischen und Profanzwecken aus den
vielen noch erhaltenen altern Malereien und Sculpturen in chrono-
logischer Reihenfolge nachzuweisen und durch Abbildungen zu
erläutern.