Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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den Exequien die Leiche nicht anwesend, so wurden diese Seiden- 
gewvebe, meistens Sammetstoffe von dunkelblauer oder violetter 
Farbe (die Farbe der kirchlichen Trauer im Mittelalter) über die 
Tumba gelegt. So berichtet uns die Chronik des „petit thalamus" 
von Montpellier, dass beim Tode der Königin Johanna von Na- 
varra, gestorben zu Evreux den (i. Decbr. 1373, der Gouverneur 
und die übrigen Beamten der Stadt ein feierliches Seelenamt bei 
den Minoriten halten liessen. lNIan errichtete im Chore ihrer Kirche 
einen prachtvollen Katafalk , liess um denselben 100 Lichter an- 
zünden und legte auf die Tumba 4 Stücke Sammct mit Gold 
durehwirkt etc. Zahlreiche Belege aus Schriftstellern könnten wir 
hier anführen, woraus sich mit Sicherheit folgern lässt, dass der 
Bedarf der Kirche im Mittelalter an Gold- und Sammetgeweben 
vielfach gedeckt wurde durch die reichen Geschenke, die an 
der Bahre theuerer Verstorbenen von den Verwandten und Un- 
tergebenen geopfert wurden. 1) 
Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Spanien , den 
Niederlanden 2) und den übrigen Ländern der Christenheit bestand 
bis zum XVI. Jahrhundert der fromme Gebrauch, )Veihgesehenke 3) 
für die Seelenruhc der Verstorbenen bei den Trauerfeierlichkeiten 
darzubringen, und nicht nur geschah dieses an der Tumba hoher 
Verstorbenen, sondern auch in Städten wurde bei gewöhnlichen 
Exequien der Sarg des Verstorbenen mit reichen Stoffen bedeckt. 4) 
Noch bis zur französischen Revolution sah man im Aachener 
Münster kostbare Leichentücher von schwerem Sammet im Chore 
hängen. Dieselben wurden durch feierliche Deputation bei'm je- 
desmaligen Ableben des Königs von Frankreich dem kaiserlichen 
Krünungsstifte daselbst übersandt, bei den Exequien über die 
Tumba ausgebreitet und, nach Abhaltung derselben, an hervorra- 
gender Stelle im Chore aufgehängt. 
Später wurden diese "poele" (pallas, tapcs) dem avestiarium" 
der Kirche überwiesen und zu liturgischen Zwecken benutzt, 
sobald bei'm Ableben des regierenden Königs der letztgesandtc 
Samniet-Teppich durch einen neu übersandten ersetzt wurde, 
1) L. Surius vitae sanctor. tom. II, pag. 514, 4. Febr. 
2) Acta sanct. ord, S. Benedicti saec. III, pars I, pag, 630 N0. 3. 
3) Wie bekannt, wird auch heute noch beTm Offerzorium an feierlichen Exequien 
von den nläeutragenden" geopfert, jedoch nicht mehr in Gaben bestehend in 
reichen Stoffen, sondern als Reminiscenz an den oben erwähnten iiltern Ge- 
brauch, Spenden in Geld. 
h) CMTIIIaiIK: de Megnelone, reg. E. fol. 60.
	        
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