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grössern Rosen befindlichen Aepfelchen (pomella) , verdienen
ihrer Verwandtschaft wegen mit den spätern Fruchtbildungen in
WVeise der Annanas, des Granatapfels, Beachtung. Jedenfalls stand
in der Seidenmanufactur das auf TafelV abgebildete Gewebe nicht
vereinzelt, sondern es repräsentirte dasselbe zweifelsohne eine grosse
Folge verwandter Dessins , unter denen mehrere , vielleicht noch
deutlichere Vorbilder für die näher beschriebenen gothischen
Muster abgeben mochten.
Gleichwie man aus den Detail-Formen der Architektur, der
Sculptur, der Malerei, der Goldsehmiedekunst des Mittelalters das
ungefähre Alter der einzelnen einschlagenden Kunstobjekte mit
ziemlicher Sicherheit bestimmen kann, so kann man auch nach
Vergleich einer grossen Zahl kunsthistorischer Gewebe und ge-
stützt auf die in den Geweben vorfindlichen Muster, annähernd
angeben, nicht nur wann ungefähr einzelne noch voründliche des-
sinirte Gewebe des Mittelalters ihr Entstehen fanden, sondern bei
näherer Beobachtung der Farben, der Art des Gewebes und bei
sorgfältigem Vergleichen der Dessins unter ein anderes lässt sich
auch in etwa wenigstens herausfinden, welcher Fabrication und
welchem Lande das vorfindliche Gewebe angehört.
Nach längern Detail-Studien der vielen noch vorfindlichen
Cultgewvänder in verschiedenen Ländern des Occidentes und ge-
stützt auf eine reichhaltige Privatsammlung mittelalterlicher Ori-
ginalgewebe haben wir, nach Vorgängern vergebens uns umsehend,
den allerdings gewagten und vielleicht allzu kühnen Versuch angestellt,
im Vorhergehenden die Geschichte der Entwickelung der Seidenma-
nufactur zunächst zu kirchlichen Zwecken unter Beifügung von
Abbildungen älterer Originalstolfe chronologisch zu fixiren.
Bei Ausarbeitung der vorstehenden skizzirten Beiträge zur
Geschichte der mittelalterlichen Wveberei sind wir zur Ueberzeu-
gung gelangt, dass noch gar manche und grosse Lücken in der
oben versuchten chronologischen Classiiicirung der ältern noch
vorfindlichen Originalgewebe auszufüllen seien und möchten wir
daher das im Vorhergehenden Gesagte bloss als einen Fingerzeig
für eine spätere , gründlicherc und ausführliche Bearbeitung der
angeregten Aufgabe gesagt wissen. Das vorläufige Resultat, zu
dem wir bei näherm Eingehen auf die eben bezeichnete Materie
gelang-t sind, ist das deutliche Erkennen, dass bei der Frage nach dem
Ilerkommen, der Art und Beschaffenheit jener kostbaren Stoffe, de-
ren sich die Kirche zu Cultzwecken im Mittelalter vorzüglich be-
diente, sich drei Hauptperioden abgrenzen lassen. Es gehören
nämlich zu der ersten Entwickelungsepoche der Seidenmanufactur,