Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

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gensten vorbehalten, bemerken wir hier nur noch , dass in Kur- 
zem der eben beschriebene und auf Tafel XVI mitgetheilte Ori- 
ginalstoH in dem Etablissement von Casaretto getreu nachgewebt 
werden wird. Auch das schöne auf Tafel IX abgebildete Gewebe 
wird nächstens stylgetreu reproducirt werden. 
In demselben Institute sind auch charakteristisch genau immittirt 
worden eine Anzahl kirchlicher Stoffe in demselben Systeme wie 
auf Taf. XVII und XIX. Unter andern interessanten Geweben 
hat das Haus Le Mire das auf Tafel VIII und Tafel X abge- 
bildete Gewebe mit einigen Modificationen wiederum angefertigt. 
Nachdem im Vorhergehenden ein Mehreres über die mögliche 
Symbolik in den reichen Damast- und Goldgeweben des XV. und 
XVI. Jahrhunderts mitgetheilt und auch das tausendfach variirende 
Hauptmotiv in diesen Zeugen in etwa näher beleuchtet und durch 
Abbildungen (vgl. Taf. XVII und XIX) veranschaulicht worden 
ist, lohnte es sich wohl der Mühe, hier noch die Frage näher zu 
erörtern, ob dieses stereotype Dessin , nämlich das fortwährende 
Vorkommen der von stylisirtem Laubwerl: umgebenen Kürbis- 
frucht von einer mehrblätterigen Rose contourirt, als ein dem alt- 
deutschen (gothischen) Style neu und eigenthümliches Ornament 
in den Seidengeweben am Schlusse des Mittelalters zu betrachten 
sei, oder 0b dieses Muster bereits in griechischen und arabischen 
Geweben seine Vorbedingungen, seine Vorgänger gehabt, nach 
denen es sich formirt habe. 
WVenn wir auch zugeben , dass man zu Ausgang des Mittel- 
alters das eben gedachte Ornament eine lange Reihe von Jahren 
hindurch fast ausschliesslich in der Seidenmanufactur als beliebtes 
stehendes Dessin mit unzähligen Modiiicationen anwandte, so ha- 
ben wir doch die volle Ueberzeugung, (lass dieses gothisehe hIotiv 
nicht damals neu erfunden wurde, sondern dass die orientalische 
Fabrication schon einige 100 Jahre vorher die Vorbilder dazu lie- 
ferte. In der Kunst wie in der Natur gibt es keine Sprünge; hier 
wie dort entwickeln sich die Formen nach gegebenen Vorbedin- 
gungen, naeh stetigen Gesetzen. Gleichwie die heutige Archäolo- 
gie es zur Evidenz nachgewiesen hat, dass der sogenannte gothi- 
sehe Styl, die Spitzbogenkunst sich in verschiedenen Biltlungspha- 
sen aus dem Rundbogensystem, dem romanischen Style entwickelt 
dung an Festtagen filr jene Grotte von angesehenen französischen Wßrllfuh- 
rern geschenkt wurden, wo im Stelle zu Bethlehem das Geheimniss der Ge- 
burt des Heilandes sich erfüllte. Auch der stoifliehe Theil der reichen 'l'inrn. 
die vor nicht langer Zeit von der Königin von Spanien dem h. Vater ge- 
schenkt wurde, ist von dem eben gedachten Hause angefertigt werden.
	        
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